Prag und der Prager Fenstersturz

Prag, die "Goldene Stadt" der Tschechischen Repubkik, wurde 1230 zur Residenzstadt des Königreichs Böhmen. Über Jahrhunderte hinweg war Prag bis in die Gegenwart hinein eine multikulturelle Stadt, in der sich böhmische, deutsche und jüdische Kultur begegnete und gegenseitig inspirierte.

Ein Magnet für Künstler, die gerne in dieser Stadt lebten, war Prag schon seit langem und darüber hinaus auch immer wieder Schauplatz revolutionärer Bewegungen. Während des Prager Frühlings 1968 wurde auf friedliche Weise versucht, den vorherrschenden autoritären Sozialismus durch einen " Sozialismus mit menschlichen Antlitz" zu ersetzen.

Nachhaltig in die Geschichte eingegangen ist der Zweite Prager Fenstersturz" im Jahre 1618. Zu dieser Zeit wuchs besonders in Böhmen der Widerstand gegen das habsburgische Kaiserhaus. Das Land unterstand den katholischen Habsburgern in Wien und wurde von deren Statthaltern regiert. Obwohl ein kaiserliches Privileg den Böhmen Religionsfreiheit garantierte, kam es immer wieder zu Übergriffen und Zwangsmaßnahmen. So ließ z.B. der Erzbischof von Prag eine soeben neu erbaute evangelische Kirche niederreißen. Gegen diese Misstände protestierten Vertreter des böhmischen Adels zunächst bei den Statthaltern, und als sie dort auf taube Ohren stießen, bei Kaiser Matthias persönlich. Sie ersuchten ihn, die Religionsfreiheit wiederherzustellen und kündigten eine Ständeversammlung an, um ihre Forderungen durchzusetzen. Nach Auflösung der Ständeversammlung zogen am 23. Mai 1618 knapp 200 Vertreter der protestantischen Stände zur Prager Burg. Einige Dutzend Adlige drangen in den großen Sitzungssaal ein. Hier befanden sich u.a. der Burggraf, Böhmens Kanzler, ein Statthalter und ein Geheimschreiber. Anfangs ruhig, geriet die Diskussion in immer hitzigere Phasen. "Ihr seid Verräter, Feinde der Stände und des Vaterlandes" schrie man dem Burgherren entgegen. Schließlich rief jemand "Wozu die Umstände? Man werfe sie nach altböhmischen guten Brauch zum Fenster hinaus!" Nach diesem Signal wurde ein Fensterflügel aufgerissen; dem Statthalter hielt einer die Hände auf den Rücken fest, zwei andere packten ihn an den Beinen und warfen ihn zum Fenster hinaus, der Statthalter fiel 15 bis 16 Meter in die Tiefe, gefolgt vom Burgherren und dem völlig unschuldigen Geheimschreiber, der sich vergeblich unter einem Tisch versteckt hatte, von den aufgeputschten Männern dort hervorgezerrt und ebenfalls aus dem Fenster geworfen wurde.

Alle drei hatten Glück und überlebten, wenn auch teilweise schwer verletzt, den Sturz. Ursache für den glimpflichen Ausgang dürfte der reinste Zufall gewesen sein, denn alle drei Männer trugen der damaligen Mode entsprechend sehr schwere und weite Mäntel, die den Fall stark dämpften. Die böhmischen Ständevertreter waren verblüfft darüber, dass die drei den Sturz relativ unbeschadet überlebt hatten und schickten ihn hastig einige Schüsse hinterher, die allesamt ihr Ziel verfehlten, weil die Schützen durch das Gedränge an den Fenstern am exakten Zielen gehindert wurden.

Der Prager Fenstersturz markiert den Beginn des Aufstandes der böhmischen Protestanten gegen die katholischen Habsburger und gilt als Auslöser des Dreißigjährigen Krieges.