Die Verhaltenstherapie

Die Verhaltenstherapie wurde in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts in den Vereinigten Staaten (USA) als wissenschaftlich fundiertes Psychotherapieverfahren eingeführt. Sie hat sich aus der experimentellen Lernforschung heraus entwickelt und später stets mehr und neue Methoden in ihr Programm aufgenommen.

Charakteristisch für die Verhaltenstherapie ist eine genaue Planung der einzelnen Therapieschritte, eine lehrerähnliche, psycho-edukative Haltung des Therapeuten und eine aktiv-übende Mitarbeit des Klienten. Die Methoden der Therapie sind direkt bezogen auf die zu behandelnde Verhaltensstörung. Im Wesentlichen zielt die Verhaltenstherapie auf die Veränderung der menschlichen Lernprozesse durch den Aufbau und die Vermehrung von gesundheitsfördernden Verhaltensgewohnheiten.

Später, in den 70er und 80er Jahren hat sich die Verhaltenstherapie weiterentwickelt, indem sie neben dem beobachtbaren Verhalten auch kognitive und emotionale Prozesse in die Problemanalyse und Therapieplanung miteinbezogen hat.

Aaron T. Beck: Kognitive Verhaltenstherapie der Depression

Es ist das Verdienst von dem amerikanischen Psychiater Aaron T. Beck, die kognitiven Denkmuster herausgearbeitet zu haben, die für die Entstehung und Aufrechterhaltung depressiver Gefühlszustände mit verantwortlich sind.

Inhaltlich lassen sich die depressionsfördernden Denkmuster zur sogenannten "kognitiven Triade" zusammenfassen, d.h. der depressive Mensch bewertet

* die eigene Vergangenheit

* sich selbst und seine Beziehung zur Umwelt und zu den Mitmenschen sowie

* die eigene Zukunft

hartnäckig und in objektiv nicht gerechtfertigter Weise als negativ. Depressive betrachten sich rückblickend auf die Vergangenheit als "Verlierer", in der Gegenwart erleben sie sich als minderwertig  und erwarten für die Zukunft eine unabwendbare Fortsetzung von Mißerfolgen, Ablehnungen und persönlichem Leidensdruck. In der Art und Weise, wie Depressive ihre Lebenswirklichkeit wahrnehmen und verarbeiten, also kognitiv interpretieren und bewerten, werden folgende Abweichungen vom logischen Denken deutlich:

willkürliche SchlußfolgerungenIn Abwesenheit oder Ermangelung von empirisch gültigen Beweisen werden Schlußfolgerungen gezogen, die das eigene Selbstwertempfinden angreifen, z.B. ein Depressiver, der bei einer Verabredung warten muss, denkt gleich: "die lassen mich hier absichtlich stehen weil sie mich eigentlich garnicht treffen wollen".

selektive AbstraktionBei der selektiven Abstraktion fixiert sich die Person auf ein einziges Detail, das aus dem Zusammenhang herausgerissen wird und ignoriert dabei andere wichtige Merkmale der Situation, z.B. wird jemand für seine Arbeit gelobt, dabei wird gleichzeitig erwähnt, dass er zu gründlich vorgegangen ist. Für den Depressiven entsteht nun als alles beherrschender Eindruck der Gedanke: "Sie sind mit meiner Arbeit nicht zufrieden", vergleichbar einem "blinden Huhn", das sich aus dem Haufen guter Körner die schlechten herauspickt und dann traurig ist wegen der schlechten Mahlzeit.

ÜbergeneralisierungDieser kognitive Mechanusmus bezieht sich auf  unangemessene Verallgemeinerungen, z.B. ist einem Depressiven ein einzelner Fehler unterlaufen. Nachfolgend denkt er." Bei mir geht alles schief".

Über- und UntertreibungTendenziell neigen Depressive zur Überschätzung ihrer Mitmenschen hinsichtlich verschiedener Fähigkeiten bei gleichzeitiger Unterschätzung der eigenen Kompetenzen.

Personalisierungbeschreibt die Neigung, Vorgänge in der Außenwelt in selbstherabsetzender Weise auf die eigene Person zu beziehen, z.B. ein Bekannter macht ein unfreundliches Gesicht, dann denkt der Depressive gleich: "Der kann mich nicht leiden, verachtet mich und was habe ich nur falsch gemacht".

Nach Auffassung von Aaron T. Beck sind die depressionsfördernden Denkmuster bereits vor dem Ausbruch der manifesten Erkrankung latent vorhanden. Sie werden im frühen Lebensalter und im Verlauf der weiteren Sozialisation erworben sei es aufgrund bestimmter Verlust- und Deprivationserfahrungen oder auch durch das Modellernen am Verhalten depressiver Bezugspersonen. Im Erwachsenenalter laufen die kognitiven Dysfunktionen mit unterschiedlichen Differenzierungsgrad und schwankender Verfügbarkeit für das Bewußtsein automatisch, reflexhaft ab. In Verbindung mit Belastungssituationen kommt es zu einer Intensivierung der negativen Denkmuster und die "kognitive Triade" wird immer dominanter und umfassender.

Die nachhaltige Bedeutung der kognitiven Verhaltenstherapie liegt in erster Linie darin, dass sie Psychotherapeuten und alle im sozialen Bereicht tätigen Kräfte dazu angeregt hat, sich direkt um die Denkvorgänge depressiver Menschen zu kümmern, diese in Richtung einer zunehmenden Realitätsangemessenheit zu verändern und damit die Entwicklung einer postiven Zukunftsbezogenheit zu fördern.

Im sokratischen Dialog wirkt der Psychotherapeut verändernd auf die Denkgewohnheiten des Depressiven ein.

Er führt mit dem Klienten ein "die Wahrheit suchendes" Gespräch. Ein Fehler, der häufig im Gespräch mit Depressiven gemacht wurde, bestand darin, dem depressiven Denken von vorneherein "vernünftige" Argumente entgegenzusetzten. Darauf reagiert der Klient mit vermehrten dysfunktionalen Äußerungen, weil er den Eindruck bekommt, dass der Therapeut ihn nicht richtig verstanden hat. Schließlich verfällt der Depressive dann häufig in ein resignatives Schweigen mit der Überzeugung, dass ihn sowieso niemand verstehen und helfen kann. Im sokratischen Dialog wird statt dessen versucht, dem Klienten durch gezielte Fragen selbst eine Korrektur seiner Sichtweise zu ermöglichen. Durch gezielte Fragen wird die Aufmerksamkeit auf bisher vernachlässigte Aspekte der Situation gelenkt, auf frühere, der jetzigen Sichtweise widersprechende Erfahrungen und auf alternative Interpretationsmöglichkeiten.

Zu den weiteren "Antidepressiven Strategien", die im verhaltenstherapeutischen setting vermittelt werden können gehören unter anderem:

* Erinnerung an positive Erlebnisse* Die Erfahrung vermitteln, dass positive Aktivitäten die Stimmung verbessern* Aktives Verhalten planen mit der Imagination von dessen poisitiven Konsequenzen* Eigene Erfolge öfters zurückführen auf eigene stabile Fähigkeiten und als jederzeit wiederholbar   einschätzen* Mißerfolge nicht primär der eigenen Unfähigkeit zuschreiben sondern öfters auch als von anderen  herbeigeführt oder zufällig passiert einschätzen* Ziele formulieren, die in der eigenen Macht liegen und erreichbar sind.

Die Aktivierung, der Aufbau lustbetonter Verhaltensweisen bleibt aus lerntheoretischer Sicht zentral bei der Behandlung depressiver Menschen. In deren Biographie ist häufig ein Ausbleiben wichtiger Belohnungen festzustellen mit dem Ergebnis, dass es zu einer Aktivitätsreduktion kommt, ein regelrechter Teufelskreis, denn wer passiv ist und resigniert, wird in der Regel wenig Belohnungen erfahren. Durch die therapeutisch begleitete Aktivierung entwickelt der Klient ein Gefühl für die Selbstwirksankeit eigenen Handelns und kann sich mit gestärktem Selbstvertrauen wieder aktiv für persönlich wichtige Ziele (z.B. beruflichen Erfolg, gute Freundschaften) einsetzen.

In der Folgezeit hat unter anderem Albert  Ellis die Prinzipien der Verhaltenstherapie auf der Basis seiner Arbeit als Psychotherapeut in New York wie folgt zusammengefasst:

* gesundes Eigeninteresse entwickeln und durchsetzen* Selbstbestimmung anstreben* Toleranz üben* Unsicherheit akzeptieren* flexibel sein* sich für andere, eine Sache oder Idee zu engagieren* Bereitschaft zum Risiko aufzeigen* und sich selbst mit allen Stärken und Schwächen zu akzeptieren.

Denkmuster in dieser Tradition lassen sich wie folgt einordnen:

* mehrdimensional statt eindimensional* relationsistisch statt absolutistisch/ moralisch/dogmatisch* variant/flexibel statt invariant.

Abschließend ein letztes Beispiel verhaltenstherapeutischer Arbeit.

Eric Burne, ein Psychotherapeut analytischer Provenienz in den U.S.A. hat seinem Klientel relativ provozierende Fragen im Sinne des sokratischen Dialogs gestellt, zum Beispiel gehörten öfters Manager zu seinem Klientel, die frisch von einem Herzinfarkt genesen und zu ihm in Therapie kamen.

Burne: "Stellen Sie sich vor, sie wären jetzt tot, was würde wohl auf ihrem Grabstein stehen?, Welches Lebensmotto, welchen Lebensphilosophie ist für ihre bisherige Biographie wohl typisch...? Ein Beispiel aus den Antworten, die er häufig erhalten hat, lautet sinngemäß:  ... ich habe mir immer viel Mühe gegeben, aber es war für die Katz". Darauf die Frage von Eric Burne: " Sind sie mit dieser Lebensbilanz einverstanden?; wenn nein: was soll sich konkret ändern... und wie, mit welchem ersten Schritt können sie morgen damit anfangen..."

Angestrebt wird in dieser Therpieform wie in allen anderen eine größere Übereinstimmung zwischen den eigenen fundamentalen Bedürfnissen und dem tatsächlchem eigenen Verhalten.

Natürlich werden in der Psychotherapie nicht nur die Denkvorgänge analysiert. Im Mittelpunkt steht immer das Gefühlsleben und dies umso mehr, wenn emotionale Traumata die psychische Befindlichkeit beeinträchtigen.