Königsberger Persönlichkeiten
Johannes Müller - Regiomontanus (1436-1476)
bedeutender Astronom und Mathematiker
Die Geburtsstadt
Die Stadt, im 12. Jahrhundert unterhalb der frühstaufischen Reichsburg angelegt, entwickelte sich schnell zu einer blühenden Handelsstadt. Ein vielseitiges Handwerksleben ermöglichte den Bürgern einen gewissen Wohlstand. Wie sonst hätte man 1397 mit dem Bau der prächtigen Marienkirche beginnen können.
Die häuslichen Verhältnisse erlaubten es, dass der hochbegabte Johannes über das Königsberger Schulangebot hinaus eine weiterführende Ausbildung an einer Universität wahrnehmen konnte. Heute wissen wir, dass der Vater eine Mühle betrieb, die in Verbindung mit dem florierenden Getreidemarkt der Familie ein gutes Einkommen sicherte. Und da der Vater angesehen war, gehörte er zum Rat der Stadt und wurde u.a. mit dem Bau der Kirche St. Burkard betraut.
Die Eltern besaßen im vornehmen Viertel der Stadt, am Salzmarkt, ein Anwesen. Das Haus brannte im Dreißigjährigen Krieg ab. Wenn auch alle Grundakten beim zweiten Stadtbrand 1640 vernichtet wurden, bewahrten die Einwohner, die den schrecklichen Krieg überlebt hatten, das Gedächtnis an die Geburtsstätte des weltberühmten Königsbergers und gaben ihr Wissen an die Nachkommen weiter. 1881 erhielt das Geburtshaus, in dem der Gelehrte seine ersten Lebensjahre verbrachte, die heutige, originalgetreue Gestaltung.
Der Weg beginnt
Mit elf Jahren wurde der überdurchschnittlich begabte Johannes in die Matrikel der Universität Leipzig eingetragen. Er belegte die artistische Fakultät (Astronomie und Mathematik) und machte sich bald daran, den von Gutenberg gedruckten Kalender nachzuprüfen.
Mit Hilfe der Alfonsischen Tafeln berechnete Regiomonatanus die Bewegungen aller Planeten für jeden einzelnen Tag des Jahres 1448.In kindlicher Handschrift verfasste er ein Jahrbuch, das in seiner Genauigkeit die bisherigen Berechnungen übertraf und auch spätere Berechnungen reichten an diese Arbeit des Zwölfjährigen nicht heran. Das war die erste erstaunliche Leistung des jungen Regiomontanus.
Johannes Müller merkte bald, dass ihm die Leipzier Universität auf dem Gebiet der Astronomie und Mathematik weiter nicht viel bieten konnte und folgte im Frühjahr 1450, nunmehr dreizehn Jahre alt, dem guten Ruf der Universität Wien.
Die Anforderungen an der Universität Wien waren hoch und bahnbrechend für das Aufleben der beobachtenden und rechnenden Astronomie und ihrer geographischen Anwendung. Einer der bedeutendsten Gelehrten war Georg von Peuerbach. Regiomontanus fand in Wien genau das, was sein vorwärtsstrebender Geist suchte. Er wurde eifriger Schüler von Georg von Peuerbach und später sein Mitarbeiter und Freund. Gemeinsam setzten sie die Arbeiten Peuerbachs fort. Bei Kometenbeobachtungen wurde erstmals der Versuch unternommen, die Entfernung und die Größe des Kometen zu bestimmen. Peuerbachs Verdienste um die Bearbeitung der Trigonometrie und seine Planetentheorie brachten ihm im In- und Ausland ein hohes Ansehen.
Mit 21 Jahren war Johannes Müller selbst Magister und lehrte an der Wiener Universität nicht nur Astronomie und Mathematik, sondern auch die damalige Philologie, die im Sinne der griechischen Lehre zum ursprünglichen Verhältnis zwischen Natur, Erfahrung und Vernunft zurückfinden wollte. Mit dem humanistisch orientierten Peuerbach und Regiomontanus begann die Erneuerung der Naturwissenschaften in Europa.
1460 hielt sich Kardinal Bessarion als päpstlicher Gesandter in Wien auf. Er lernte Peuerbach kennen und regte an, das Lehrbuch des Ptolemaios, die Araber nannten es Das große Werk verständlich zu erläutern. Diese Arbeit konnte Peuerbach nur beginnen. Er starb 1461 und beschwor auf dem Sterbelager seinen Freund Johannes Müller, den Auftrag Bessarions zu vollenden.
Italienische Renaissance
Ende 1461 ging Regiomontanus mit Kardinal Bessarion nach Rom. Regiomontanus folgte dem Kardinal auf seinen Reisen, so nach Venedig und wieder zurück nach Rom, ohne seine wissenschaftlichen Arbeiten zu vernachlässigen. Er schuf in dieser Zeit ein neues Handbuch der Sternkunde, das später Copernicus und Galilei als Lehrbuch diente.
Anschließend verfasste er das berühmt gewordene Werk über die Dreieckslehre. Seine zusammenfassende Dreieckslehre wurde wichtig für die europäische Mathematik, insbesondere für die Entwicklung der modernen, sphärischen Trigonometrie.
Regiomontanus wagte es, die Berechnungen des Ptolemaios anzuzweifeln, dessen Auffassung, die Erde sei ruhender Mittelpunkt der Welt, bis dahin unantastbar war. Er wies auf die Differenzen zwischen der Ptolemäischen Lehre und seinen eigenen Planetenbeobachtungen hin. Diese Kritik an der herrschenden Lehre machte später auf Copernicus einen großen Eindruck, denn bis dahin wurde alles bisher Geschriebene unhinterfragt übernommen.
In Rom fehlte Regiomontanus schon bald ein ebenbürtiger Partner zum Gedankenaustausch. Der Humanistenkreis in Rom war zwar eifrig bemüht, möglichst fehlerfreie Ausgaben der besten Werke des Altertums zu sammeln, dem vorwärtsdrängenden Regiomontanus konnte diese Haltung nicht mehr genügen. Er trennte sich von Bessarion und ging 1467 nach Ungarn.
Das ungarische Spiel
Zu den wichtigsten ungarischen Arbeiten zählte die Erstellung einer modernen Art von Tangententafeln. Für Regiomontanus war diese schwierige Arbedit, die mühsame Berechnungen voraussetzte, eine “Erholung”. Er nannte sie das “das ungarische Spiel”. Die Erklärungen zu diesen Tafeln wurden übrigens ins Deutsche, Englische und Französische übersetzt.
Anfang 1471 erklärte Regiomontanus dem König von Ungarn, mit dem er sich gut verstand, dass er, um in seinen Beobachtungen weiterzukommen, zusätzliche Helfer brauche, die er in Nürnberg zu finden hoffte. Der König ließ ihn unter Fortzahlung der Bezüge nach Deutschland reisen. Mit einem bereits berühmten Namen ging Johannes Müller nach Nürnberg.
Nürnberg - Die Reichstadt
1471 ließ sich Regiomontanus in Nürnberg nieder und gründete dort die erste Sternwarte.
Der Ruhm der Welt
Im Herbst 1474 erschienen seine Jahrbücher. Diese Ephemeriden gaben für jeden Tag der Jahre 1475 bis 1506 den Stand der Sonne, des Mondes und der Planeten in ihren wechselseitigen Aspekten an. Wichtig wurden die Ephemerides astronomicae für die Lehre an den Universitäten, wo sie auch von Copernicus studiert wurden. Die Jahrbücher erschienen immer wieder in Neuausgabe und waren für die nächsten drei Jahrhunderte verbindlich. Das war der Ruhm der Welt.
Die geistige Wirkung Regiomontanus kann nicht hoch genug eingeschätzt werden, insbesondere seine Haltung, überlieferte Dogmen zu überprüfen und eine exakte, wissenschaftlich- experimentelle Untersuchungsmethodik radikal durchzusetzen.
Zu den frühen Äußerungen des jungen Johannes Müller in Wien kommt später ein Brief von ihm hinzu und darin ist folgendes vermerkt: Es sei notwendig, die Bewegung der Sterne zu ändern wegen der Erdbewegung! Regiomontanus hatte es demnach für notwendig gehalten, die Erde als bewegt und nicht mehr als ruhend zu betrachten. Das war der Vorstoß zur wissenschaftlich fundierten Wahrheit, die er zeitlebens gesucht hat; das war der gedankliche Durchbruch, an dessen Ende der Widerruf eines Galileo stand mit seinem Unerschütterlichem: “Und sie bewegt sich doch!”
Ein Komet am Himmel
Im weiteren Verlauf intensivierte Regiomontanus seine Beobachtungen und Berechnungen. Es kam zur ersten gültigen Kometenberechnung überhaupt. Die nachweisliche Messung einer kleinen Parallaxe sicherte den Kometen erstmals die kosmische Stellung.
Aus den Arbeiten und Äußerungen Regiomontanus war zu entnehmen, dass er in einer entscheidenden Phase stand, als er seine Forschungen unterbrechen musste, um 1475 nach Rom zu reisen.
Rom - das Ende
Papst Sixtus IV. rief ihn, den berühmtesten Astronom dieser Zeit, zur Kalenderreform nach Italien.
Die Fehler in der bisherigen Osterrechnung waren der römischen Kirche nicht entgangen. Da die christlichen Kirchen unterschiedliche Berechnungen hatten, war es peinlich, dass die einen schon Ostern feierten während die anderen noch fasteten. Für Papst Sixtus IV. Grund genug, den berühmtesten Astronom für die Kalenderreform nach Rom zu rufen. Regiomontanus nahm alle wichtigen Unterlagen mit. Sie sind zum großen Teil verschollen. Die Todesnachricht dagegen erschien mehrfach. Mitgeteilt wurde, dass der hervorragende Sternforscher Magister Johann von Königsberg in Rom verstorben sei und auf dem Gottesacker beerdigt wurde.
Über die Todesursache gab es - wie so oft bei berühmten, plötzlich verstorbenen Menschen - viele Gerüchte. Die Forschung konnte nur feststellen, dass im Januar 1476 infolge einer Überschwemmung in Rom eine pestartige Seuche herrschte. Sie forderte zahlreiche Todesopfer, darunter vermutlich auch Regiomontanus.
Er starb im Alter von 40 Jahren. Der Wissenschaft war er weltbekannt, von dem Menschen Johannes Müller wissen wir wenig, nur folgendes:
Seine vielschichtige Begabung, sein ungeheurer Fleiß, sein Wandern durch Europa erlaubten keine familiären Bindungen. Es gibt keine Nachricht, dass er jemals geheiratet hätte.
Die Eltern lebten in Königsberg. Thomas Klingg erzählt in seinem Regiomontanus-Roman “Ein Weltbild zerbricht”, wie Johannes Müller das mittelalterliche Königsberg besuchte, wie er wie ein Fremder durch die engen Gassen wanderte, an die Tür seines Elternhauses am Salzmarkt klopfte… und weiterging. Nachgewiesen sind die Besuche des Regiomontanus in Königsberg nicht; sie sind aber auch nicht unwahrscheinlich.
In seinen streng wissenschaftlich gehaltenen Briefen war einmal eine persönliche Anmerkung zu finden: “Wenn ich selbst auch niemals öffentlich bade, so ergötzen doch die grünen Saaten und Wiesen und die übrigen lieblichen Anblicke meine Augen und halten den Geist von seinen gewohnten Überlegungen ab”. So geschrieben im Jahr 1465 von dem Magister Johannes von Königsberg, der zu den lieblichen Anblicken keine näheren Erläuterungen gab.