Zum Leben im Mittelalter
Bevor das Leben auf den mittelalterlichen Burgen in kurzen Zügen thematisiert wird, wollen wir uns zunächst der modernen Burgenforschung zuwenden.
Die Burgenromantik des 19. Jahrhunderts zeichnete oftmals ein idealisiertes Bild vom Leben im Mittelalter. Besonders im 19. und im frühen 20. Jahrhundert entstanden zahlreiche Burgneubauten als freie, phantasievolle Rekonstruktionen über den älteren Mauerresten. Im Unterschied zu den wirklichkeitsfremden Rekonstruktionen des 19. Jahrhunderts nähert sich die moderne Burgenforschung den alten Wehrbauten eher analytisch, sachlich und wissenschaftlich interdisziplinär. Aus dem neuen, korrrigierten Bild der Burgen ergibt sich auch ein neues, korrigiertes Bild vom Leben im Mittelalter.
Burgruinen nicht wieder aufzubauen und sie statt dessen behutsam zu konservieren bedeutet, die bestehenden Reste zu bewahren und zu pflegen, um sie dauerhaft einer Öffentlichkeit zugänglich zu machen, die den Originalzustand nachempfinden möchte. Die Burgruinen in den fränkischen Hassbergen sind zum überwiegenden Teil auf diese Weise sensibel saniert worden und ermöglichen dem Besucher damit einen authentischen Zugang zum wirklichkeitsnahen Erscheinungsbild der einst stattlichen Burgen im Mittelalter.
Funktionen der Burg
Eine ihrer Hauptfunktionen bestand darin, das Umland zu berherrschen und zu schützen. Die Burgen schützten in erster Linie die für ihre eigene Existenz lebenswichtigen Wirtschaftsbetriebe, Siedlungen, Weidegründe und Ackerfluren, denn die Burg war ja oft Zentrum eines Wirtschaftsbetriebes. Wichtig für die Wahl des Standortes war natürlich eine gute Wasserversorgung.
Dort, wo territoriale Interessen gesichert werden mussten, entstand eine regelrechte "Burgenpolitik": die Anzahl der Burgen zeigte, wie präsent eine Herrschaft ist. Der Landesherr - ob König, weltlicher oder geistlicher Fürst - überzog seinen Herrschaftsbereich mit Burgen, auf denen er Gefolgsleute - Vasallen - einsetzte; diese durften ihrerseits Lehen - Landesbesitz - an Untervasallen vergeben. So spiegelt sich die pyramidale Herrschaftsstruktur auch im Burgenbau wider, wo die aufwendig gebauten Dynastenburgen gefolgt wurden von den einfachen Anlagen des niederen Adels. Dabei hatte Prachtentfaltung und Selbstrepräsentation oftmals einen höheren Stellenwert als der militärische Nutzen.
Dennoch übte die Burg stets auch eine Art Schutzfunktion aus und so kam es dazu, dass sich um günstig gelegene Burgen Handwerker und Kaufleute niederließen und Siedlungen gründeten, aus denen oft genug später Städte erwuchsen.
Die meisten Burgen haben eine jahrhundertelange Baugeschichte, sie sind immer wieder ausgebaut und umgestaltet worden, aus einfachen Kernbauten wurden über die Jahrhunderte hinweg komplexe Gebilde. Die Mittelalterarchäologie legt verfallene Bauten frei, rekonstruiert nicht nur deren ehemalige Gestalt, sondern kann darüber hinaus auch Rückschlüsse ziehen auf das Alltagsleben im Mittelalter anhand von Sachfunden und den Gegenständen aus dem damaligen Leben.
Leben auf der Burg
Das Leben auf den mittelalterlichen Burgen kannte ebenso wie unser alltägliches Leben einen grauen Alltag wie auch schillernde und schreckliche Ereignissse. Auf den meisten Burgen vollzogen sich vielschichtige Aktivitäten, denn sie waren nicht nur Schauplätze höfischer Lebenskultur, sondern in gleichem Maße Wirtschafts-, Rechts - und Verwaltungsbetriebe, auf denen unterschiedliche Personen ihre Aufgaben wahrnahmen. Der Wohnkomfort stieg über die Jahrhunderte hinweg.
Im Unterschied zu den Großburgen des Hochadels sah das Leben auf den meist kleineren Burgen des niederen Adels um einiges bescheidener aus: eine Handvoll Burgbewohner, eine Handvoll Bediensteter, ein paar Pferde und Esel, Katzen, Hunde, Hühner, Schafe, Ziegen, Schweine, alles auf engstem Raum untergebracht.
Das Leben in den Räumen selbst können wir als düster und kalt beschreiben - besonders im Winter war es sehr kalt, denn nur wenige Räume waren beheizbar und die Mauern dürften rasch ausgekühlt sein. Die Fenster brachten erhebliche heiz- und lichttechnische Probleme mit sich. Das damals sehr teure Fensterglas kam erst im Spätmittelalter in die Burgen hinein, vorher hat man die Wandöffnungen aus Witterungsgründen mit Holzläden, Häuten oder Fellen verschlossen. In den Innenräumen dürfte es also besonders zur kalten Jahreszeit recht düster gewesen sein. Beleuchtet wurden die dunklen Räume und Gänge durch Kienspan, den man entweder in Eisenringe an der Wand oder in eiserne Tischständer steckte. Eine alternative Lichtquelle war die vielgeliebte Talglampe. In Burgen, die aus dem Fels gehauen wurden, findet man öfters in den Fels eingearbeitete Ösen, an denen die Talglampe aufgehängt wurde. Einige in den Felsen eingearbeitete Ösen sind noch heute auf der Burgruine Lichtenstein zu sehen.
Man saß auf hölzernen Bänken an schlichten Tischen und langen Tafeln. Das hölzerne Mobilar war spärlich und wurde multifunktional genutzt, so dienten die Truhen auch als Sitzbänke und das Bett diente tagsüber als Sofa. Seine Notdurft verrichtete man in Abtritterkern, die aus Gründen der Hygiene oft an der Rückseite der Burg angebracht waren.
Die Wasserversorgung war besonders auf Höhenburgen ein grundsätzliches Problem und erforderte ungewöhnliche Maßnahmen im Kampf gegen die ständige Wasserknappheit. Man konnte das Regenwasser in Zisternen sammeln, Burgbrunnen bis zu den wasserführenden Schichten hinabführen oder das Wasser extern mittels Eseln und Knechte auf die Burg bringen lassen. Das Regenwasser wurde schnell ungenießbar, das Abteufen eines Brunnens war stets eine langwierige und kostspiliege Angelegenheit und die externe Zufuhr von Wasser war im Belagerungsfall nicht mehr möglich.
Zu den Nebenbauten einer Burg gehörten Scheunen und Stallungen. Die Wohnungen der Bediensteten, die sog. "Gesindewohnungen" waren zumeist in der Vorburg, seltener in der Hauptburg untergebracht und wesentlich einfacher ausgeführt als die herrschaftlichen Gebäude. Land- und Viehwirtschaft hatten für die mittelalterlichen Burgen eine existentielle Bedeutung, weil nur so das vorrangige Ziel der Selbstversorgung gesichert werden konnte. Aus diesem Grund sind viele Burgen bevorzugt in der Nähe von Äckern, Weiden, Wäldern und Bächen plaziert.
Die Burgbewohner betrieben bisweilen intensiv handwerkliche Tätigkeiten zur Herstellung einfacher Geräte aus Metall, Holz, Leder und Tierknochen, die vorwiegend den Eigenbedarf deckten.
Mittelalterliche Tafelfreuden und Höfische Vergnügungen
Was auf den Tisch kam, war abhängig vom sozialen Status des Burgherren. Man aß und trank ausgiebig, insofern die wirtschaftliche Situation dies zuließ. Während sich die Bauern mit Rüben, Sauerkraut, Kohl, Haferbrot, Grütze und Wasser, später auch Bier zufriedengeben mussten, labte sich der höhere Adel an Wild, Hausgeflügel, Fischen und Wein. So spiegelte sich auch in den Eßgewohnheiten die unterschiedliche soziale Stellung wider.
Bei Festlichkeiten berichteten Gäste und Minnesänger von den Neuigkeiten draußen in der damals noch so fernen Welt. Musik spielte, es wurde getanzt und gesungen. Turniere boten gerade dem jungen unbekannten Ritter eine Chance, zu Ruhm und Ehre zu gelangen. Turnuerhelden waren in der Adelsgesellschaft hoch angesehen. Als erfolgreicher Turnierer konnte man es auch zu beträchtlichem Wohlstand bringen, denn der Sieger behielt Rüstung und Pferd des Unterlegenen - beides ein kleines Vermögen wert.
Das Leben auf der Burg spielte sich außerhalb der Feste in einem gleichförmigen Rahmen ab. Es gab zwar viel innerhalb der Burg zu tun, doch vor allem im Winter galt es, die Langeweile zu vertreiben und lange Tage sowie Abende sinnvoll zu verbringen. Man schnitzte Gegenstände, übte auf Musikinstrumenten oder vertrieb sich die Stunden mit Glücksspielen, die zwar seitens der Kirche verpönt waren und sich dennoch großer Beliebtheit erfreuten.