Berühmte Frauen

Über das Leben im Mittelalter gibt es viele Vorurteile, insbesondere auch die damalige Situation von Frauen wird oftmals assoziiert mit Armut, Unterdrückung und mangelnder Selbstbestimmung. Sicherlich entspricht einiges von diesen Vorstellungen der traurigen Realität von einst - und dennoch gibt es mehr als nur wenige Ausnahmen!

Berühmte Frauen haben ihr Leben schon immer eigenverantwortlich zur Erfolgsstory gemacht - weil sie eben in jeder Situation couragiert, intelligent und nicht selten auch machtbewusst gehandelt haben.

Christine de Pizan, Schriftstellerin und Chronistin, ist nicht die einzige Ausnahme. Ihr Leben soll im Folgenden kurz skizziert werden, bevor Sie bei gewecktem Interesse über entsprechende Links weiterführende Informationen erhalten.

 

Christine de Pizan     Schriftstellerin und Chronistin

Am 29. Oktober 1390 verabschiedete sich Christine de Pizan von ihrem Mann, der Notar und königlicher Sekretär war. Er sollte den franzöischen König auf einer Dienstreise begleiten. Christine war 25 Jahre alt, Mutter von drei Kindern und ließ ihren Mann wahrscheinlich nur ungern ziehen, denn die Zeiten waren unsicher. Sie sollte ihren Mann nicht mehr wiedersehen. Eine Seuche infizierte die königliche Reisegesellschaft und raffte auch ihren Mann hinweg.

Tatsächlich war es nur der erste Schicksalsschlag für die junge Dame. Lange Zeit hatte Christine ein angenehmes Leben geführt als Tochter des venezianischen Gelehrten Tommaso da Pizzano. Der Vater wurde als Leibarzt und Astrologe an den französischen Hof gerufen und die Familie lebte in einem Schloss am Ufer der Seine unweit der königlichen Paläste. Christine hatte mit ihrem Vater, dem erfolgreichen Naturwissenchaftler und Philosophen die "süße Lust des Wissens und Lernens" gemeinsam und wurde von ihrem Vater unterrichtet.

Als 15-jährige wurde die hübsche, gebildete Jugendliche an den zehn Jahre älteren Hofbeamten verheiratet, eine vielversprechende Partie. Die Ehe war glücklich. Doch dann beschwerten Schicksalsschläge das Leben der Familie. Nach dem frühen Tod seines Gönners, König Karl V. verlor der Vater seine privilegierte Stellung. Die Familie stürzte in wirtschaftliche Nöte; über all den Sorgen starb der Vater. Als dann auch noch Christines Ehemann nich mehr nach Hause zurückkehrte, stand die junge Witwe mit ihren Kindern, ihrer Mutter und einer mittellosen Nichte vor dem Nichts. Einer alleinstehenden Frau drohte ein trübes Schicksal zwischen Armenhaus, Kloster oder gar Prostitution. Doch die verwöhnte Tochter ließ sich nicht einschüchtern und nahm ihre neue Rolle als Haushaltsvorstand erfolgreich an. Sie forderte die Gelder, die man ihrem Mann schuldete über viele Jahre hinweg konsequent ein.

Christine konnte sich auf eine besondere Begabung berufen: das Schreiben. Anfangs verdiente sie mit Kopierarbeiten, dem Abschreiben fremder Werke etwas Geld. Noch in dem Jahr, in dem ihr geliebter Etienne starb, nahm sie an einem Dichterwettbewerb teil und ihre Poesie hatte Erfolg. Christine de Pizan beherrschte alle Formen höfischer Dichtkunst und befasste sich mit allen Spielarten der Liebe, wobei sie mal die Rolle der Dame, mal die des werbenden Galans übernahm. Sie selbst hielt sich von Freiern fern und wollte nicht noch einmal heiraten. Die Dichtung tröstete nicht nur ihre Seele, sie stellte auch den Brotwerwerb sicher. Die Künstlerin passte ihr unterhaltsames Angebot prafmatisch der wechselnden Nachffrage an und gewann bald einen Kreis bedeutender adliger Leser.

Ihren Platz in der modernen Literaturgeschichte eroberte sich Christine de Pizan jedoch nicht durch eingängige Verse, sondern durch eine wirkliche Pioniertat: sie begann selbstständig zu denken- vielleicht etwas Ungewöhnliches für eine Frau der damaligen Zeit. Je sicherer sie das Schreiben beherrschte, desto mehr fielen ihr die Misstände der damaligen Epoche auf und sie setzte sich nunmehr mit der Politik auseinander. Schon bald erhielt sie den Auftrag, eine umfassende Chronik über die Herrschaft Karl V. zu verfassen - eine große Auszeichnung für eine Frau in einer Zeit, in der die offizielle Geschichtsschreibung den Mönchen vorbehalten war.

Auf einem anderen Feld gelang es der Dichterin, nicht nur die Gunst der bayrisch-französischen Regentin Isabeau zu gewinnen. Sie erreichte endgültig jenen Ruhm der historischen Unsterblichkeit, den wohl jeder Auto ersehnt, indem sie um die Wende zum 15. Jahrhundert ihr Lebensthema gefunden hatte: nämlich die Frauen oder genauer gesagt, den nach ihrer Meinung unerträglichen Blick männlicher Gelehrter auf das weibliche Geschlecht.

Die selbstbewusste Intellektuelle fühlte sich provoziert durch die abwertenden Meinungen vieler Gelehrter über die Rolle und das Wesen der Frau. "Die Frau hat kein Gewíssen" behauptete z.B. der Pariser Theologe und Professor Jean de Meung - und meinte damit alle Frauen. In nahezu unflätigem Ton postulierte der brave Gottesmann, das ganze weibliche Geschlecht sei nur auf "Spitzfindigkeiten und Bosheiten" hinaus. Sein zynischer Rat: Männer sollten sich Frauen gegenüber auf ihre Triebhaftigkeit beschränken; wer an die Liebe glaubt, der sei ein Narr.

Christine war empört und wagte es, den allseits anerkannten Professor öffentlich zu kritisieren. "Zügellosigkeit und Laster" steckten hinter diesen frauenfeindlichen Ausfällen- konterte sie. Schritt für Schritt entlarvte sie das falsche Frauenbild des Klerikers, der es aus ihrer Sicht gewagt hat, ein ganzes Geschlecht ausnahmslos zu verleumden und zu tadeln. Mit solcher Courage hatten die Verfechter der konventionellen Rollenmuster nicht gerechnet.

Und schon bald wendete sich das Blatt, als nämlich Jean Gerson, Kanzler der Universität Paris und der Kirche Notre-Dame, die Partei der Autorin ergriff. Kurz darauf lud der Herzog von Orléans Christine in seinen Palas ein und ehrte sie. Christine de Pizan hatte gewonnen und galt von nun an offiziell als Vorkämpferin der Frauenrechte. In ihrem berühmtesten Werk "Das Buch von der Stadt der Frauen" begegnete sie den männlichen Vorurteilen mit einer Galerie berühmter Frauen aus der Antike, Bibel, aus Legenden und aus dem Mittelalter. Ihr Fazit: Frauen sind mindestens so klug und stark, mindestens so lernfähig, originell, machtbegabt, redegwandt, vernünftig, kunstsinnig, kühn und liebesfähig wie Männer.

Historiker meinen, dass es vielleicht gar nicht so sehr die feministische oder literarische Qualität ihrer Schriften war, die Christine de Pizan zur "Vorzeigefrau" machten, vielmehr sei es ihr Charakter gewesen: unbeugsam, eigenständig, unbequem und klug verweigerte sich Christine schon zu Lebzeiten einer jeden Art von Vereinnahmung. Überlebt hat die zierliche Person durch die subversive Kraft eigenen Denkens.

 

Der vorliegende Text bezieht sich im Wesentlichen auf einen Artikel über Christine de Pizan im Spiegel-Special "Geschichte", Heft Nr.4/2013.

 

Das Leben berühmter Frauen im Mittelalter füllt mittlerweile international Bibliotheken. Und so begibt sich eine wachsende Zahl interessierter Frauen auf Spurensuche.