Rasputin - ein Heiliger oder ein schwarzes Schaf...?
Grigori Jefimowitsch Rasputin wurde 1869 in Westsibirien als Bauernsohn geboren, ermordet starb er 1916 in Petrograd.
Im Alter von 17 Jahren begann seine Zeit als Pilger, er wollte Näheres über Religion lernen. Berühmt wurde Rasputin durch sein Wirken am Zarenhof. Er wurde an den Hof gerufen, um den an Hämophilie leidenden Zarensohn Alexei durch Gebete zu heilen. Ärzte und auch Kritiker bestätigten, dass es tatsächlich auf unerklärliche Weise zum Stillstand der Blutungen gekommen sei. Seine Fähigkeit zum Heilen brachte die Zarin Alexandra zur Überzeugung, dass Rasputin ein Heiliger war. Da die Erkrankung des Zarensohnes geheim gehalten wurde, blieb es für die Öffentlichkeit unklar, weshalb dieser "ungebildete Bauer Rasputin" soviel Ansehen bei der Zarenfamilie genoss. Auch gab es immer wieder Anlass zu Klatsch und Verleumdungen aller Art, so wurden ihm permanente Sexorgien vorgeworfen; das wenigste von allen Vorwürfen stimmte mit der Realität überein. Nachdem Rasputin 1914 bei einem Angriff mit einem Dolch verletzt wurde, begann er, sich öffentlich zu betrinken und neigte zu aggressiven Verhaltensentgleisungen.
Während des Ersten Weltkrieges zeigte sich nach anfänglichen militärischen Siegen, dass Russland mit seinem noch schwach ausgebauten Eisenbahnsystem und seiner gering entwickelten Industrie der deutschen Militärmacht unterlegen war. Unzufriedenheit breitete sich im Land aus und bei der Suche nach Schuldigen wurde Rasputin zum Sündenbock für die katastrophale Lage, obwohl sein politischer Einfluß in Wirklichkeit sehr gering war.
1916 wurde Rasputin unter Mitwirkung von engen Verwandten des Zaren Nikolaus II. ermordet.
Rasputins Kindheit wurde überschattet von familiären Verlusterlebnissen. Früh verstarben Schwester sowie Bruder und dann auch noch die Mutter. Vielleicht waren es diese Verlusterlebnisse, die bei Rasputin in seinen Jugendjahren zu einer gewissen psychischen Instabilität führten. Er galt als "Tunichtgut", tatsächlich lagen mehrere Anzeigen gegen ihn vor wegen Trunksucht, Mädchenschändung und Diebstahl. Verurteilt wurde er nicht, wahrscheinlich waren die Anklagen leicht übertrieben, beschrieben wird er in den Polizeiakten als junger Mann, 1,82 Meter groß, helle strähnige Haare, längliches Gesicht und ein dunkelrötlicher Vollbart.
Parallel zu seinen liederlichen Lebenswandel entwickelte Rasputin eine starke Religiosität. Mehr als einmal soll ihm die Gottesmutter Maria erschienen sein. Seine Spiritualität war auch in seinen Träumen stets geprägt von mystischen Erlebnissen mit der Gottesmutter. Jahrelang unternahm er lange Pilgerreisen auf der Suche nach Erleuchtung und Wahrheit. Seine weiteste Pilgerreise führte ihn nach Jerusalem, nachdem er zuvor den Berg Athos in Griechenland erwandert hatte.
1887 heiratet Rasputin Parskjewa Fjodorowna Dubrownina, dem Paar wurden ein Sohn und zwei Töchter geboren.
Doch schon bald wurde es dem Pilger Rasputin in seinem Heimatort wieder zu eng. 1903 bricht er auf nach St. Peterburg zu Johann von Kronstadt, dem damals berühmtesten Theologen und "Heiler" des Zarenreichs. Schnell war der in St. Pertersburg relativ unbekannte Rasputin anerkannt besonders bei Johann von Kronstadt, dem Beichtvater des Zaren und er erhielt Zugang zur höheren Gesellschaft. Johann von Kronstadt wurde auf Rasputin während einer Messe aufmerksam, als er nach langer Pilgerreise mit deutlich verschlissenen Kleidern unter den einfachen Pilgern niederkniete. Johann von Kronstadt wird nachgesagt, dass er während seiner Meditationen bei der Messe ein besonderes Gesprür für die Nähe überragender Menschen entwickelte. Und so war es wohl auch bei Rasputin, zu dem der Geistliche gesagt haben soll:" Mein Sohn, ich habe deine Gegenwart gespürt." Aufgrund dieser weihevollen Anerkennung höchster Kirchenkreise wurde Rasputin salonfähig und bald als "Wunderheiler" berühmt. Und tatsächlich konnte er sog. Wunder bewirken. Es war nicht nur der Zarensohn, dessen gesundheitlicher Zustand sich in Gegenwart von Rasputin regelmäßig verbesserte auf eine für die behandelnden Ärzte unverständlichen Art und Weise. Als die Hofdame Anna Wyrubowa bei einem Zugunglück schwer verletzt wurde und bereits die Sterbesakramente empfing, wurde Rasputin gerufen - in seiner Gegenwart wachte die Sterbende auf und überlebte. Dennoch blieb seine Person umstritten. Bei seinen Gegnern löste er stets eine unüberwindliche Abneigung aus. So beschreibt ihn der Ministerpräsident Stolypin mit folgenden Worten: "Dieser Mann hatte eine gewaltige magnetische Kraft und löste in mir eine starke Gemütsbewegung aus, und sei es nur eine des Widerwillens". Rasputins eigener Gesundheitszustand dagegen verschlechterte sich durch die vielen Anfeindungen und teilweise auch durch die physischen Übergriffe und Verletzungen.
"Zarathustra" gemalt von B.Olk 2007 |
1915 eskalierten Rasputins öffentliche Skandale. Früher trank er heimlich, nun betrank er sich wieder öffentlich und zeigte damit die Verhaltensauffälligkeiten und Dummheiten eines Betrunkenen. Um die Probleme mit dem umstrittenen Rasputin zu beenden, wurde mit Unterstützung der Regierung ein Mordversuch geplant. Nach mehreren fehlgeschlagenen Mordversuchen mussten die Auftraggeber aufgeben. In vielen europäischen Zeitungen wurde über die Mordanschläge ausführlich berichtet, was die Regierung schwer diskreditierte.
Die Ermordung Rasputins im Jahre 1916 wirft ein bezeichnendes Licht auf die Situation in der höheren Peterburger Gesellschaft und der Familie Romanows unmittelbar vor dem Untergang des Zarenreichs. Es war der Polizei bekannt, dass ein Attentat unmittelbar bevorstand, auch der britische Geheimdienst wusste genau Bescheid. Die Zarin machte sich große Sorgen über die Situation. Rasputin traute sich kaum noch aus seinem Haus, nahm aber die Einladung von Fürst Felix Jussupow, Ehemann einer Nichte des Zaren, an. Er war einer der wenigen Menschen, denen Rasputin noch vertraute. Ein verhängnisvolles Vertrauen - im Palast des Fürsten wurde Rasputin brutal ermordet. Die Obduktion kommt zu folgenden Ergebnissen: das rechte Auge war ausgeschlagen, der ganze Körper von Quetschungen und Blutergüssen übersät; besonders betroffen waren die Magengegend und der Unterleib. Vermutlich haben die Täter durch Misshandlungen, die sie bis zur Folter steigerten, versucht, aus Rasputin Geständnisse und vielleicht auch Details einer vermuteten intimen Beziehung zur Zarin herauszupressen.
Die Mörder wurden schnell gefunden, gingen jedoch durch den Einfluß des Romanov-Clans weitgehend straffrei aus. Aufgrund dieser Ereignisse verwundert es nicht, dass der Zar schon drei Monate nach dem Mord gestürzt wurde. Für die Bauern, die Mehrheit der Bevölkerung, war Rasputin einer der ihren, der von Adligen ermordet wurde ohne dass der Zar die Schuldigen bestrafte. Die Autorität des Zaren bei den Bauern war gebrochen. Für die Gegner Rasputins, seien es weite Teile der Familie Romanov oder auch viele Personen der "politischen Klasse" war der Zar ein zahnloser Tiger, der keinen Respekt mehr verdiente.
Rasputin war zweifellos ein bedeutender Heiler, vielleicht auch Hellseher, jenseits der traditionellen Medizin mit einer außergewöhnlichen Suggestivkraft, die nicht nur auf Frauen wirkte, und er war wohl auch aufgrund seiner Trunksucht und den vielen aggressiven Verhaltensentgleisungen ein schwarzes Schaf, wenn auch nur ein kleines.
Nachwort
Seinen Tod vorausahnend hat Rasputin gegenüber der Zarenfamilie oft folgende Warnung ausgesprochen: "Wenn ich sterbe oder wenn ihr mich fallen lasst, werdet ihr euren Sohn und die Krone verlieren".
1918 wurde die Zarenfamilie durch die Bolschewiki ermordet. Insgesamt sind 18 Angehörige der Dynastie Romanov und viele weitere Personen aus ihrem Umfeld umgebracht worden. Die Bolschewiki, eine sozialdemokratische Arbeiterpartei Russlands, strebten den Sturz des Zaren und den Aufbau des Sozialismus/Kommunismus in Russland an.