Die Psychotherapie der Depression

Depressionen haben viele Gesichter...

Von einer behandlungsbedürftigen Depression sprechen wir nur dann, wenn das depressive Erlebens mit seiner weit gefaßten Symptomatik einen bestimmten Ausprägungsgrad übersteigt und phasenweise wiederkehrt, wobei die Auslöser endogen oder psycho-reaktiv sein können.

Suizidalität ist die sog. "Spitze vom Eisberg" der Depression!

 

Jährlich sterben in der BRD 12.000 bis 14.000 Menschen an Suizid. Die Zahl der Selbstmordversuche liegt jährlich um das Zehnfache höher.

Formen der Depression

1. die psychogene (rein seelisch bedingte) Depression2. die endogene Depression3. die somatogene (rein körperlich begründbare) Depression

Wir werden uns im Folgenden der psychogenen bzw. psycho-reaktiven Depression zuwenden.

Zur Symptomatik

Ein Leitsatz, der typisch ist für das depressive Empfinden und Denken lautet:

"Ich kann nichts, ich bin nichts, man mag mich nicht und Schuld bin ich auch noch selber daran." In diesem Satz tauchen die drei klassischen, am häufigsten geäußerten Sorgen depressiver Menschen auf, nämlich:

- Sorgen bezüglich der eigenen Leistungsfähigkeit, Angst vor nachlassender Leistungsfähigkeit- mangelndes Selbstwertgefühl bzw. Minderwertigkeitsgefühle- vielfältige Selbstvorwürfe, Selbstanklagen

Es ist das Verdienst der kognitiven Verhaltenstherapie (Aaron T. Beck, Albert Ellis, Martin Hautzinger unter anderem), die Denkmuster herausgearbeitet zu haben, die für die Entstehung und Aufrechterhaltung depressiver Gefühlszustände mitverantwortlich sind.

Zusammenfassend lassen sich die depressiven Denkmuster (kognitive Dysfunktionen) beschreiben in der sog. "Kognitiven Triade der Depression":

 der depressive Mensch bewertet

- die eigene Vergangenheit

- sich selbst und die eigene Beziehung zur Umwelt, zu den Mitmenschen und vor allem auch

- die eigene Zukunft

hartnäckig und in einer objektiv nicht gerechtfertigten Weise als negativ! Depressive Menschen betrachten sich rückblickend auf die Vergangenheit als "Verlierer", in der Gegenwart erleben sie sich als minderwertig, unfähig und erwarten für die Zukunft eine unabwendbare Fortsetzung von Mißerfolgen, Ablehnungen und persönlichem Leidensdruck.

In der Art und Weise, wie depressive Menschen ihrer Lebenswirklichkeit wahrnehmen und verarbeiten, also kognitiv interpretieren und bewerten, werden spezifische Abweichungen vom logischen Denken deutlich, wir sprechen hier von den sog. depressiven Denkmustern: z.B. Übergeneralisierung (unangemessene Verallgemeinerung), Übertreibung, selektive Abstraktion. Fallbeispiel: eine depressive Mitarbeiterin wird wegen einer Leistungsschwäche kritisiert, sie neigt dann leicht zu der Schlussfolgerung: "ich mache alles verkehrt und bin grundsätzlich ein für alle mal eine Versagerin"... positive Aspekte der Situation (z.B. Lob für das allgemeine Arbeitsverhalten) werden dabei ausgeblendet oder treten in den Hintergrund. So verhält sich der depressive Mensch oftmals wie "ein blindes Huhn", das sich aus dem Haufen guter Körner die wenigen faulen Körner herauspickt und dann traurig ist wegen der schlechten Mahlzeit.

Depressionsfördernde Denkmuster sind erlernt, sie werden im frühen Lebensalter und im Verlauf der weiteren Sozialisation erworben durch das "Modellernen" am Verhalten depressiver Bezugspersonen (z.B. Eltern) und durch frühe Verlust- und Deprivationserfahrungen. Die Folgen sind das Gefühl einer (erlernten) Hilflosigkeit, Resignation, Passivität im Sinne mangelnder Eigeninitiative besonders auch in Krisensituationen und mangelndes Vertrauen in die eigenen Handlungskomepetenz- und effizienz. Genau an diesem Punkt, an der negativen oder pessimistischen Wahrnehmung und Bewertung der eigenen Lebenswirklichkeit setzt die kognitive Therapie der Depression an.

Positiv denken... ist mehr als ein Schlagwort, schon Epikur (Philosoph der griechisch-römischen Schule vor Chr.) macht uns auf Folgendes aufmerksam: "Es sind nichjt die Dinge, die uns aus der Fassung bringen, sondern unsere Sicht der Dinge". Kategorien dysfunktionalen Denkens, die häufig depressiven Verstimmungen zugrundeliegen (nach Albert Ellis):

- absolutistisches Denken: Wünschbares wird als absolute Notwendigkeit gefordert

- Katastrophieren: Tendenz, die Bedeutung negativer Ereignisse zu überschätzen und zu dramatisieren

- Selbstabwertung: Tendenz, sich selbst als minderwertig, unzulänglich einzuschätzen oftmals in Verbindung mit der

  Überschätzung anderer

- Perfektionsismus: Überhöhung des Anspruchsniveaus an die eigene Person

- Übergeneralisierung: Tendenz, aus einer einzelnen, bevorzugt negativen Erfahrung eine generelle Regel abzuleiten

Sokratischer Dialog: Im sokratischen Dialog wird versucht, den Klienten durch aktive Fragestellungen  s e l b s t  eine Korrektur ihrer Sichtweise zu ermöglichen. Durch gezielte Fragen wird die Aufmerksamkeit auf bisher vernachlässigte positive Aspekte von Situationen gelenkt, auf frühere, der jetzigen pessimistischen Sichtweise widersprechende Erfahrungen und auf alternative Interpretationen der eigenen Lebenswirklichkeit mit den daraus sich ergebenden Lösungswegen.

Antidepressive Bewältigungsstrategien

- Aktivierung = Vermehrung von Verstärkern, Belohnungen

- Ziele formulieren, die in der eigenen Macht liegen und erreichbar sind

- Eigene Erfolge öfters als selbst herbeigeführt einschätzen aufgrund eigener stabiler Fähigkeiten, die jederzeit wieder

  zu neuen Erfolgen führen können

- die Ursachen für Mißerfolge mehr variabel und als veränderbar einschätzen usw.

In therapeutischen settings, die dem lerntheoretischen Erklärungsansatz der Depression einen zentralen Stellenwert einräumen, kommt der Aktivierung eine große Bedeutung zu. Dem lerntheoretischen Ansatz der Depression zufolge ist die Passivität regelmäßig  mit dem Ausbleiben von Erfolgserlebnissen (Verstärkerreduktion) verbunden mit der fatalen Folge, dass die Passivität zunimmt, es entsteht ein Teufelskreis, der über Resignation, Passivität hineinmündet in die Depression.

Bausteine der Therapie

- Aktivierung statt Passivität

- Vermitteln von Erfolgserlebnissen

- Überzeugung von der Wirksamkeit eigenen Handelns wiedergewinnen, besonders auch in Krisensituationen

- Erleben einer positiven Zukunftsbezogenheit.

Zu den kognitiven Problemlösestrukturen, die wegbereitend sind für eine lebensbejahende Grundeinstellung gehören ein mehrdimensionales, relationistisches und variant flexibles Denken im Unterschied zu eindimensionalen, absolutistisch/moralisierend/dogmatisch und invarianten Denkprozessen.