D a s R i t t e r t u m
Von Anfang an übernahm der Ritterstand primär militärische Funktionen im Dienste der geistlichen und weltlichen Macht, also angesiedelt zwischen dem Papsttum einerseits und dem Kaisertum andererseits.
Die Ritter mit ihrem Gefolge von Frauen, Knechten und Mägden machten nur knapp 5 Prozent der Gesamtbevölkerung aus. Im Hochmittelalter zwischen dem 11. und 13. Jahrhundert stellten nach wie vor die Bauern mit ca. 80 bis 85 Prozent die größte Bevölkerungsgruppe, gute 10 Prozent gehörten dem Klerus oder dem Adel an beziehungsweise wohnte in Städten.
Die Hauptgruppe der Ritter entstammt auch in Deutschland der Ministerialität. Ministeriale waren abhängige Gefolgsleute, die sich das Vertrauen des Königs erworben hatten und sowohl militärische Aufgaben wie auch Hofämter versahen. Gegen Ende des 11. Jahrhunderts wurden sie vermehrt zum Kriegsdienst herangezogen. Stellte ein Ministeriale besondere Tüchtigkeit unter Beweis, wurde ihm u.U. der Aufstieg zum ritterlichen Adel möglich.
Ritter zu werden war eine teure Angelegenheit: Rüstung und Waffen, der Unterhalt mehrerer Pferde und der Besuch von Turnieren verschlangen hohe Summen. Viele Knappen - auch aus besseren Häusern - mußten sich daher oft zähneknirschend entscheiden, den Ritterschlag abzulehnen, und dienten fortan als Edelknechte.
Ritterliche Ideale und der Alltag
Im Mittelalter, insbesondere in seiner frühen Phase, konnten sich die Menschen nicht auf nennenswerte Erfahrungen mit staatlichen Regierungsformen stützen, die etwa die Ausübung von Macht klar regelten. Am Ende des Tages galt, nüchtern betrachtet, fast immer das Recht des Stärkeren.
Während im 10. und 11. Jahrhundert das Leben nebst dem mühsamen “Broterwerb” von Gewalt, Territorialkämpfen und instabiler Bündnispolitik unter den Adelshöfen geprägt war, setzte sich im 12. Jahrhundert ein neues Pflichtbewußtsein des Ritterstandes durch, bestehend aus ehrenhaftem Handeln, Verlässlichkeit und Rechtschaffenheit. Schritt für Schritt eroberte das idealisierte Bild des Ritters die Geisteshaltung einer ganzen Epoche.
In Kriegszeiten galten allerdings auch im Mittelalter andere Regeln. Zwar gelobten die Ritter, gegenüber Besiegten Gnade walten zu lassen. Bis die Feinde allerdings besiegt waren, kämpften die Ritter mit voller Härte.
Vom Sturm der Kreuzritter auf Byzanz (dem heutigen Istanbul) sind beispielsweise heftigste Plünderungen und Verwüstungen durch die zu Hause meist Noblen überliefert.
Zeittafel zum Rittertum
Teil 1: 800 - 1226
800 Kaiserkrönung Karls des Großen
Ab 800 Entwicklung des Lehnswesens; Bau der ersten Burgen in
Deutschland
1088 Aufstieg Bolognas zum Zentrum der Juristerei
1095 Aufruf Papst Urbans zum Kreuzzug auf dem Konzil von Clermont
1099 Erste Eroberung Jerusalems durch die Kreuzfahrer
Ende des 11. Jahrhunderts Aufkommen der Ritterturniere in Frankreich
1118 Bernhard von Clairvaux wird Abtprimas der Zisterzienser
1119 Gründung des Templerordens
1138 - 1524 Kaisertum der Staufer
1143 Gründung der Stadt Lübeck als deutsches Handelszentrum
1152 - 1190 Kaisertum Friedrich I. Barbarossa
1189 der dritte Kreuzzug unter Friedrich I. Barbarossa
1189 - 1199 Regierungszeit von Richard Löwenherz in England
1190 Tod Friedrich I. Barbarossa
Ab dem 13. Jahrhundert Aufkommen von Schießpulver in Spanien
1202 der vierte Kreuzzug gegen Konstantinopel
1204 Eroberung und Brandschatzung Konstantinopels (Byzanz) durch
die Kreuzfahrer
Ca. 1210 Wolfram von Eschenbach schreibt den Ritterroman Parzival
1220-1230 Entstehung des Sachsenspiegels
Das Rittertum erfuhr im Lauf der Zeit vielfältige Verfeinerungen. Trotz der wechselvollen Geschichte konnte es mehr als sechs Jahrhunderte bestehen im Einklang mit anderen Gesellschaftsgruppen seiner Zeit, den einfachen Leuten und Bauern, dem Klerus, der Damenwelt und den Königen.
Die historischen Rahmenbedingungen im Mittelalter
Wie Mosaiksteine reihte sich in der Zeit um 800 ein kleines Königreich an das andere, was auf Dauer jedoch nur Konkurrenz und Unruhen schuf. Letztlich gewannen die starken Franken die Oberhand und einten unter den Merowingern und Karolingern das zersplitterte Territorium. Weithin galt der Frankenkaiser Karl der Große als Stifter des Abendlandes. Wie die römischen Imperatoren strebte er nach einem geeinten Herrschaftsraum, der sämtliche einzelne Volksgruppen von Südfrankreich bis Thüringen umschloss. Dies gelang ihm jedoch nur zum Teil, weil sich vor allem die germanischen Stämme gegen den Einheitsgedanken wehrten und nicht dazu bereit waren, ihre Machtposition an den Kaiser abzutreten. Somit war ein Verfall des fränkischen Großreichs vorprogrammiert.
In dieser Situation versuchten die fränkischen Kaiser immer wieder, eine Einigung ihres Reiches zu erlangen, indem sie gemeinsame Traditionen durchsetzten: vor allem verpflichtete man sich zu Treue und Gefolgschaft gegenüber dem Lehnsherren. Diese Verpflichtung setzte sich wie eine Kette vom niedrigsten Gefolgsmann bis hin zum Kaiser fort und sorgte für ein engmaschiges Machtgeflecht.
Die drei Säulen der Macht: der Kaiser, seine Fürsten und der Papst
Das Christentum hatte sich nach der Völkerwanderungszeit als verläßliche Größe im Land etabliert: Geistliche übernahmen die Versorgung der Bevölkerung vom unmittelbaren Lebensunterhalt über Schulunterricht bis hin zur öffentlichen Organisation. Die fränkischen Herrscher unterstützten diese Instanz und stabilisierten dadurch ihre eigene Macht.
Neben der politischen Bedeutung verlieh der christliche Glaube auch eine innere Stütze. Die mittelalterlichen Menschen aller gesellschaftlichen Schichten glaubten fest an die Gottgegebenheit ihrer Lebensumstände. Der zunehmende politische Einfluß der Kirche zeigte sich in einem immer weiter reichenden Mitspracherecht, beispielsweise bei Kriegsentscheidungen oder Amtseinsetzungen.
Trotz der Machtverteilung zwischen weltlichen und kirchlichen Instanzen blieb die politische Lage des Reiches im frühen Mittelalter instabil: die oft lange Reisetätigkeit des Kaisers verführte Nachbarländer zu Angriffen mit dem Ziel der Gebietserweiterung. Außerdem erschütterten viele kleine Streitereien unter den Landesherren das Frankenreich von innen. Die Folgen trafen vor allem die einfachen Leute: Armut, Zerstörung und Sittenverfall.
Die oberste politische Macht stellte im gesamten Mittelalter der Kaiser dar. Bei ihm liefen alle politischen Fäden zusammen, jedoch war er in der Machtausübung nicht völlig frei: angewiesen auf die militärische Unterstützung seiner Gefolgsleute war der Kaiser als Oberbefehlshaber sehr daran interessiert, die größeren Stämme wie die Bayern, Franken, Sachsen, Schwaben und Lothringer hinter sich zu bringen.
Die Strukturen der mittelalterlichen Gesellschaft unterscheiden sich von denen der Gegenwart grundlegend: die demokratischen Grundideale der griechischen Antike traten vollkommen in den Hintergrund. Die Ungleichheit der Stände bestimmte das Zusammenleben. Dies zeigte sich auch im Verhältnis zwischen Ritterstand und einfacher Bevölkerung, zwischen Freien und Unfreien. Im Alltag wie auch in der Rechtssprechung war die Standeszugehörigkeit ausschlaggebend. Was wir heute als Ungerechtigkeit bewerten würden, war im Mittelalter lediglich die Konsequenz des Ständedenkens: man arrangierte sich - da gottgegeben - mit diesen Normen.
Eine strenge Hierarchie regelte also die Macht- und Aufgabenverteilung.
Schon früh setzten die germanischen Könige Beamte ein, die sich an ihrer Seite um die Landesverwaltung kümmerten, wichtige Aufgaben und Repräsentationspflichten abnahmen. Dadurch entstand neben dem Geburtsadel der sog. Dienstadel, die Ministerialen.
Nicht für alle Freien standen Hofämter zur Verfügung. Wer kein Hofamt erwerben konnte, dem blieb auch die Erhebung in den Dienstadel verwehrt. Und so entstand neben den begüterten Ministerialen bald eine große Gruppe von sog. armen Freien. Es waren vor allem freie Bauern, die sich keine Leibeigenen leisten konnten und deshalb ihre volle Kraft für die Versorgung der Familie brauchten.
Viele Grundherren forderten oftmals ein Vielfaches an Abgaben, so dass mancher Bauer gezwungen war, Teile seines Landbesitzes zu verkaufen und schlimmstenfalls zum Leibeigenen wurde. Allerdings kam es auch vor, dass Ministeriale verarmten, weil die vielen unbezahlten Kriegseinsätze und die kostspielige Ausrüstung durchaus ein Vermögen aufzehren konnten. Insgesamt bestand die Mehrheit der mittelalterlichen Bevölkerung aus Unfreien. Sie versorgten die Landwirtschaft ihres Herrn und leisteten Abgaben.
Lehnsherren und Vasallen
Um 800 beruhte die Wirtschaft auf dem Tauschhandel. Man tauschte Naturalien, Handwerkszeuge, Dienstleistungen und Arbeitskraft gegen andere Güter. Dem gleichen Muster folgte die Bezahlung der Ministerialen und Ritter durch den König: für geleistete Dienste erhielt der Getreue ein Stück Land von seinem Herrn, das sogenannte Lehen, das er nach Gutdünken bewirtschaften oder weiterverpachten durfte, so dass er mit seiner Familie und dem dazugehörigen Hauswesen von den regelmäßigen Einnahmen normalerweise gut leben konnte. Nach dem Tod eines Vasallen ging in der Frühzeit das Lehen wieder an den Lehnsherren zurück. Wenn der Lehnsherr starb, dann ging der Besitz an dessen Nachfolger mit dem Vorrecht, das Lehen neu zu gewähren oder aber auch zu entziehen.
Im Verlauf des Mittelalters änderte sich diese Praxis: das Lehen wurde von Generation zu Generation weitervererbt. Dadurch konnte sich der Vasall, seine Familie und seine Nachkommen besser auf dem Lehen einrichten. Zunächst erfolgte die Vererbung in der unmittelbaren männlichen Nachkommenschaft, in späteren Zeiten durchaus auch auf Frauen und entfernte Verwandte.
Die Feudalgesellschaft
Das frühe Lehnswesen brachte schließlich die für das Mittelalter so charakteristische Feudalgesellschaft hervor. Sie beruhte auf streng getrennten Gesellschaftsschichten, von denen jede ihre spezielle Funktion hatte. Ein Wechsel zwischen den Gesellschaftsschichten war kaum möglich.
Oberhaupt der Stände war der König, der in Deutschland vom Hochadel oder vom Papst eingesetzt wurde. Auf der Ebene der Feudalgesellschaft konnten sich das Rittertum und die Ministerialität neben dem Geburtsadel etablieren.
Insgesamt konzentrierte sich die gesellschaftliche und politische Macht im Hochmittelalter auf wenige Prozent der Bevölkerung. Die absolute Mehrheit lebte in vollkommener Abhängigkeit und hatte keinerlei Möglichkeit der demokratischen Mitbestimmung, obwohl eigentlich von der Arbeitskraft der Untergebenen das Auskommen des gesamten Staatswesens abhing.
Ab etwa dem 11. Jahrhundert fand innerhalb des Adels nochmals eine Verlagerung der Macht statt: Schritt für Schritt übten die Adligen, die eine Burg besaßen, mehr Kontrolle aus. Mit der Entwicklung des Handels und der Handelswege übte die Burg nicht mehr nur militärische Funktionen aus, sie übernahm zusätzlich wichtige wirtschaftliche und verwaltungstechnische Aufgaben. Dazu kam die kulturelle Bedeutung, weil sich an solchen Handelszentren bevorzugt Künstler und Dichter ansiedelten.
Aus dem Feudalwesen entwickelte sich der spätere Ständestaat, der sich in Aristokraten, Bürger und Arbeiter gliederte.
Es herrschte das Gesetz der Gewalt
Zu Beginn des Mittelalters, um ca. 800, hatte sich das germanische Ritterideal noch nicht entwickelt. Es herrschte das Gesetz der Gewalt, auch kleinere Streitigkeiten wurden mit Gewalt entschieden und bei Übungskämpfen konnte der Kampfesrausch überhand nehmen. Unzählige Tote und Verletzte waren die traurige Bilanz.
Als sich dann zwischen dem ausgehenden 10. und 13. Jahrhundert der ritterliche Ehrenkodex durchsetzte, verbesserte sich zwar die Situation, doch gingen die Erfahrungen vom Schlachtfeld nicht spurlos an den Elitekämpfern vorüber. Eine gewisse Rauhheit blieb ihnen eigen und immer wieder geschah es, dass Turniere eskalierten und in einem Blutbad endeten.
Doch nicht nur gegenüber seinen Gegnern, auch gegenüber sich selbst mußte ein Ritter Härte beweisen. Die Strapazen der Reisen und Kämpfe - und auch die schwere Rüstung galt es zu ertragen. Dazu kamen die Verletzungen. Auf dem Schlachtfeld oder Turnierplatz war gar nicht daran zu denken, den Kampf wegen einer Wunde zu unterbrechen. Zudem standen im Mittelalter kaum medizinische Mittel oder Narkotika zur Verfügung. Bei vollem Bewußtsein wurden die Wunden gereinigt, genäht und Gliedmaßen wieder eingerengt. Bei größeren Verletzungen, die z.B. eine Amputation notwendig machten, verabreichte man dem Patienten eine ordentliche Menge Alkohol und versetzte ihm einen Schlag ins Genick. Das war dann sozusagen die “örtliche Betäubung”. Nicht einmal in einer solchen Situation durfte ein Ritter Schmerzen zeigen, Wehleidigkeit gehörte einfach nicht zum ritterlichen Ehrenkodex.
Überraschendes
Wie passt es zum ritterlichen Ideal, dass ein englischer Edelmann seiner Gemahlin kurz entschlossen drei Zähne ausschlug, als diese sich über seine wiederholte Untreue beschwerte und der feine Herr auch keineswegs daran dachte, sein Verhalten zu ändern? Dass es im Alltag mit dem feinen Benehmen der Ritter oft nicht weit her war, geht aus vielen Überlieferungen hervor; es schwelte auch unter dem feinen höfischen Benehmen einiger Fürsten eine nicht zu unterschätzende Gewaltbereitschaft.
Der Einfluß der Kreuzzüge
Mit dem Aufruf Papst Urbans II. (1040 - 1099) zum ersten Kreuzzug auf dem Konzil von Clermont kam eine weitere Lebensaufgabe auf den Ritterstand hinzu: der Kampf gegen die Barbaren im Dienst für Gott, Söldner Christi sollten sie werden.
Begeistert von den Worten des Papstes zogen Ende des 11. bis ins 13. Jahrhundert hinein Tausende von Rittern mit ihren Soldaten in den Krieg nach Palästina, ins Heilige Land.
Beim ersten Kreuzzug kam es 1099 zur Eroberung von Jerusalem. Letztlich siedelten sich nach dem Kreuzzug nur etwa 300 Ritter im Heiligen Land an, gefolgt von Kaufleuten und Handwerkern, die einen lebendigen Handel mit dem heimischen Abendland aufbauten. Hier bildete sich der wirtschaftliche Knotenpunkt zwischen Morgen- und Abendland, zwischen Orient und Okzident. An diesen Handelszentren gelang zwar die Annäherung der orientalischen und europäischen Kultur, ansonsten blieb die Distanz und das gegenseitige Mißtrauen nach wie vor bestehen.
Die nachfolgenden Kreuzzüge waren zum Scheitern verurteilt. An der Seite Barbarossas zogen König Richard Löwenherz von England und König Philipp II. August von Frankreich mit ihren Truppen ins Heilige Land, um Jerusalem der Christenheit zurückzugewinnen. Friedrich I. Barbarossa starb 1190 bei einem Badeunfall in einem Fluß der heutigen Türkei; daraufhin zerfiel das Heer und sein Sohn starb kurz danach. Auch die französischen und englischen Kreuzfahrer hatten nicht mehr Erfolg. Die Ziele der Kreuzzüge - eine Christianisierung des Orients - waren gescheitert und haben sehr viele Menschenleben geopfert.
Ritterorden
Neben der ständigen Bedrohung von außen kam es in den Kreuzfahrerstaaten häufig zu Nachschubproblemen, vor allem an tapferen Rittern. Diese Situation bildete den Grund für die Entwicklung der geistliche Ritterorden (Templer, Johanniter, der dt. Orden). Zu ihren festgeschriebenen Aufgaben gehörte u.a. der Schutz der Zugangswege nach Jerusalem. Weitere Aufgaben der jeweiligen Ordensgemeinschaft waren die Versorgung der Armen sowie der Kriegsdienst. Seinen zentralen Stützpunkt errichtete der dt. Orden auf der Marienburg in Westpreußen - eine der größten Festungsanlagen Europas - und konzentrierte sich von diesem Stützpunkt aus etwa ab 1309 vollkommen auf das Baltikum und die östlichen Länder. Um sowohl das Heidentum wie auch das gesellschaftliche und kulturelle Gut der Ostvölker auszulöschen, schreckten sie nicht davor zurück, ganze Landstriche zu entvölkern und alles Gut niederzumachen. In der Schlacht bei Tannenberg 1410 mußten sie sich geschlagen geben, hier endete auch der Aufstieg der Rittergemeinschaft.
Zeittafel zum Rittertum
Teil 2:
1248 -1880 Bau des Kölner Doms
1268 Ende der Staufer
1271 Entdeckungsfahrten Marco Polos nach Asien
Ab Ende 13. Jahrhunderts: Gründung zahlreicher Universitäten
Leben auf der Burg
Burgen und Burgruinen prägten hoch aufragend und stolz bewehrt in einzigartiger Weise die mittelalterliche Landschaft und sie tun dies teilweise auch heute noch. Hinter den dicken Burgmauern ging es jedoch weit weniger vornehm zu, als die Geschichtsschreibung uns oftmals vermitteln wollte.
Rauschende Feste, Turniere und allzeit bereit im Dienst einer vornehmen Dame - so stellte man sich zumeist den Alltag eines Ritters vor. Die Wirklichkeit sah im 12. und 13. Jahrhundert jedoch vollkommen anders aus.
Die hauptsächliche Aufgabe eines jeden Ritters bestand im Kriegsdienst. Gegenüber seinem Lehnherren war er verpflichtet, unentgeltlichen Wehrdienst zu leisten. Die mittelalterliche Kriegsführung bestand zu einem großen Teil aus einer teils langwierigen Belagerung von Burgen sowie dem Niederbrennen der gegnerischen Äcker und nur zu einem geringen Teil aus dem unmittelbaren Kampf “Mann gegen Mann”.
Kriege führte man damals hauptsächlich im Frühjahr und im Herbst, weil die Straßen dann aufgrund der besseren Wetterbedingungen einigermaßen trocken waren. Im Sommer war die Ernte einzubringen und die Abgaben der abhängigen Bauern einzutreiben. “Wenn der Pflug ruhte, wurde zu den Waffen gegriffen”.
Der Burgenbau
Die frühesten Vorläufer der Burgen bildeten die keltischen stadtähnlichen Befestigungsanlagen aus dem 5. und 6. Jahrhundert. Eine weitere verwandte Bauform der Burg findet sich seit dem 11. Jahrhundert in England und Nordfrankreich: der Donjon, der allein aus einem Wohnturm bestand. In den späteren Burgen blieb dieser als sog. Bergfried fester Bestandteil der Anlage. Ab dem 11. Jahrhundert setzte sich allmählich der Steinbau gegenüber den vorherigen Holzbauten durch.
In Deutschland blühte der Burgenbau vor allem im 12. und am Anfang des 13. Jahrhunderts. In dieser Zeit sicherten die Staufer ihre Macht dadurch ab, dass sie besonders treuen Gefolgsleuten, meist Ministerialen, Burgen zur Verwaltung zuwiesen. Für diese Burgen galt das Erbrecht, so dass die Anlagen zunehmend in den Besitz der Ministerialen übergingen.
Eine Wende brachte das 14./15. Jahrhundert, als die Territorialfürsten die Macht an sich rissen und dem mittlerweile sesshaften Ministerialenadel das Recht zum Burgenbau wieder entzogen. Viele Burgen wurden damals zerstört oder mussten aufgegeben werden. Als in der Folgezeit dann die Städte entstanden, verloren die ländlich isolierten Burgen mehr und mehr an Bedeutung - sowohl gesellschaftlich als auch militärisch. Letztlich fielen sie den Hussitenkriegen im 15. Jahrhundert, den Bauernkriegen im 16, Jahrhundert und dem Dreißigjährigen Krieg im 17. Jahrhundert zum Opfer.
Zum Alltagsleben
Das Alltagsleben war auf die Tagesstunden beschränkt aufgrund der mangelnden Beleuchtungsmöglichkeiten für die Räumlichkeiten. Man begab sich früh zu Bett und stand auch in aller Frühe wieder auf. Da die Gemächer der Burgbewohner über Nacht meist auskühlten, warf man sich morgens schnell einen Pelz über und wusch sich nur kurz - da das Wasser, ohnehin Mangelware, für andere Zwecke gebraucht wurde.
Durch den Kontakt mir dem Orient kamen im Hochmittelalter auch in Europa die Badestuben in Mode. Aus dieser Zeit stammen die Dampfbäder. Vielfach war das Baden ein gesellschaftliches Ereignis, Eheleute badeten zusammen, und auch wenn Gäste anwesend waren, genoss man das Bad gerne gemeinsam.
Die Essenszeiten waren streng geregelt. Nach der ersten Mahlzeit im Anschluß an die Frühmesse wurde am frühen Abend ausführlich gespeist. Der späten Mahlzeit wurde viel Zeit eingeräumt. Bei den wohlhabenden Rittern war der Speiseplan ausgesprochen vielseitig, während einfachere Leute und Bauern sich hauptsächlich von Getreideprodukten ernährten. Ihren Durst stillte die mittelalterliche Gesellschaft mit Bier, Met, teilweise auch Fruchtsäften und vor allem mit großen Mengen an Wein. Letzterer ließ sich gut konservieren und war daher ideal für alle Jahreszeiten.
“Viel essen macht viel breiter
und hilft zum Himmel nicht,
es kracht die Himmelsleiter,
kommt so ein schwerer Wicht.
Das Trinken ist gescheiter,
das schmeckt schon nach Idee,
da braucht man keine Leiter,
das geht gleich in die Höh´.”
Joseph von Eichendorff (1788-1857)
Anlaß zu Feierlichkeiten gab es regelmäßig insbesondere bei Eheschließungen. Eine Liebesheirat, wie wir sie heute eigentlich voraussetzen, kannte das Mittelalter allerdings nicht. Ehen dienten gesellschaftlichen und politischen Verbindungen und wurden von den Eltern der künftigen Eheleute beschlossen.
Der Winter war die härteste Jahreszeit für den mittelalterlichen Menschen. Da die Burganlagen mit Ausnahme der Kemenaten kaum beheizt werden konnten, froren die Bewohner ständig und konnten nur hoffen nicht ernsthaft krank zu werden. Mangelnde Hygiene und eine große Zahl unliebsamer Mitbewohner wie z.B. Flöhe und Wanzen machten allen Menschen das Leben schwer.
Ab dem 12. Jahrhundert verbesserte sich die Situation grundlegend, als die Kachelöfen aufkamen - ein immenser Fortschritt, da sie die Wärme speicherten und zugleich die Brandgefahr minderten.
Der Untergang des Rittertums
Die Bedeutung, die sich der Ritterstand im Lauf der Zeit erarbeitet hatte, lag vor allem in der militärischen Durchschlagskraft seiner Kämpfer. Doch mit den Veränderungen in der Heeres- und Kriegstaktik nahm die Bedeutung der schweren ritterlichen Kavallerie mehr und mehr ab.
Und auch in der Gesellschaft hatten sich die Strukturen zuungunsten des Ritterstandes verändert. Mit dem Wegfall des Lehnswesens war für viele, oftmals hoch verschuldete Grundherren ein “Sparkurs” angesagt. Zunehmend legte man die Organisation und finanzielle Aufsicht in die Hände von Verwaltungsbeamten. Hinzu kamen landwirtschaftliche Einbußen durch schlechte Ernten. Überstiegen die notwendigen Ausgaben die Einkünfte, mußte Land verpfändet werden. Dadurch verarmten vor allem viele kleine Ritterdynastien.
Ein weiterer wichtiger Faktor beim Niedergang des Rittertums war der Aufschwung der Städte. In dieser Zeit begann eine starke Landflucht, wodurch besonders der Landwirtschaft viele Arbeitskräfte verloren gingen. Demgegenüber erstarkte das städtische Bürgertum - sowohl sozial, finanziell als auch politisch. Der blühende Handel mit fernen Ländern trug ebenfalls dazu bei.
Viele Ritter beugten sich dieser Entwicklung und gaben ihre Burgen und Landbesitzungen auf, um in die Stadt zu ziehen und dort eine neue Existenz aufzubauen.
Don Quijote oder Der Ritter von der traurigen Gestalt
Die berühmteste Allegorie auf den Untergang des Rittertums findet sich in dem Roman “Don Quijote” des spanischen Dichters Miguel de Cervantes.
Die Hauptfigur Don Quijote ist ein einfacher Landadliger mit einer großen Begeisterung für Ritterromane. Er liest und liest bis er schließlich verrückt wird und glaubt, seine Lebensaufgabe sei die eines fahrenden Ritters. Seinem alten Pferd gibt er den Namen Rosinante und als Dame, der er seine Hohe Minne entgegenbringen kann, sucht er sich ein Bauernmädel aus. Alles, was ihm begegnet, bringt ein in Verbindung mit dem Rittertum und seinen Idealen, obwohl dies schon seit vielen Jahren ausgestorben ist. Völlig ausgebrannt kehrt er nach seiner ersten Fahrt heim. Doch statt aufzugeben, rekrutiert er einen Schildknappen: Sancho Pansa, ein Mensch von eher einfachem Gemüt.
Das berühmteste Abenteuer Quijotes ist sein Kampf gegen die Windmühlen, in denen er Riesen sieht. Natürlich scheitert er in diesem Kampf und macht dafür böse Mächte verantwortlich. Der Ausdruck “gegen Windmühlen kämpfen” für ein aussichtsloses Unterfangen leitet sich von dieser Geschichte ab. Schwer mitgenommen kehrt der “Ritter von der traurigen Gestalt” am Ende der Geschichte heim.
Mit seinen Verrücktheiten versinnbildlicht die Figur des Don Quijote, wie weit das ritterliche Ideal und die Wirklichkeit schon damals auseinander lagen und sein Scheitern bewegt die Menschen bis heute.
Der vorliegende Text basiert im Wesentlichen auf dem Buch “Faszination Mittelalter - Das Rittertum”, erschienen im Weltbild-Verlag.
Aus dem Mittelalter sind uns eine Vielzahl von Redewendungen erhalten geblieben, deren ursprüngliche Bedeutung von Gerhard Wagner liebevoll nachgezeichnet wurde, so z.B. die Redewendung “Sich die Sporen verdienen” (sich auszeichnen, sich würdig erweisen).
Bevor ein adliger Knabe den Ritterschlag erhalten konnte, musste er sieben Jahre als Page dienen. Sieben weitere Jahre diente er als Knappe bei einem Ritter. Hier lernte er das Waffenhandwerk, durfte an Kampfspielen teilnehmen und auch schon Sporen tragen. Mit 21 Jahren empfing er den Ritterschlag, wenn er sich durch Mut und Treue ausgezeichnet hatte. Bei dieser Zeremonie wurden ihm goldene Sporen angelegt. Dass er diese Würde verdient hatte, musste er schon bald in der nächsten Schlacht in vorderster Kampflinie beweisen.