Das Judentum im Mittelalter

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Das Judentum lebt mit weitreichenden Wurzeln in die Tiefen der europäischen Geschichte. Ein Meilenstein der Geschichte ist die Eroberung Kleinasiens und ebenfalls Judäa durch die Römer im Jahre 63 v. Chr. Der römische Heerführer Herodes wurde 40 v. Chr. auf den Thron berufen und nach dessen Tod kam Judäa an die Provinz Syria. Ein Aufstand der Juden gegen die römische Herrschaft endete mit der Zerstörung des Tempels in Jerusalem. Die überlebenden Juden verließen in der Mehrzahl das Land oder wurden Kriegsgefangene und Sklaven in den verschiedenen Provinzen des römischen Imperiums.  Damit begann die Zerstreuung der Juden in die ganze Welt.

Noch nie waren die Juden eine biologische Rasse, sondern vielmehr eine Volksgruppe geeint durch eine gemeinsame Geschichte, Schicksal und Religion. In Deutschland siedelten Juden verstärkt seit dem 8./9. Jahrhundert am Rhein und an der Mosel an; die erste jüdische Gemeinde ist für das Jahr 321 in Köln belegt. Später wurden Städte wie Speyer, Worms, Mainz und auch Regensburg zu Zentren jüdischer Kultur und Gelehrsamkeit. Generell siedelten sich Juden bevorzugt in Städten an. Im 10. Jhd. schätzte man die Zahl der Juden auf ca. 5000 und bereits im 11. Jhd. dürfte sich diese Zahl vervierfacht haben.

Im Lauf der Zeit bauten die Juden weltweit Verbindungen zueinander auf und diese "Netzwerke" führten dazu, dass der Fernhandel im frühen Mittelalter von jüdischen Händlern dominiert wurde. Anfangs war das Zusammenleben von Christen und Juden noch relativ friedlich. Beide akzeptierten ihre unterschiedliche Kultur und Religion. Dieses friedliche Nebeneinander verschlechterte sich schleichend über die Jahrhunderte hinweg und spätestens ab dem Hochmittelalter wuchsen Ablehnung, Misstrauen bis hin zur ausgeprägten Feindschaft. Die Juden wurden zum "Sündenbock", indem man ihnen die Schuld gab für Krankheiten, Seuchen und anderen Schicksalsschlägen. Auch verloren sie ihre Vormachtstellung im Handel.

Unterdrückungsmechanismen belasteten zudem ihr gesellschaftliches Leben. So verbot man ihnen, Land zu bebauen, schloss sie von Zünften aus und drängte sie damit in eine "Nische" des Geldverleihs gegen Zinsen. Die Juden wurden auf diese Weise zu den "Bankiers" des Mittelalters und verfügten über eine wirtschaftliche Machtfunktion, die vierlerorts Neid erweckte. Seit dem 13. Jhd. standen die Juden unter dem besonderen Schutz des Königs, der ihnen ebenso wie den Bauern gewaltfreies Leben und Besitz von Eigentum zusichern sollte. Im Gegenzug mussten sie für diesen Schutz Sondersteuern, den sog. "Goldenen Pfennig" zahlen. Nicht selten verpfändete der König sein Judenregal an Adlige, Städte oder Kirche. Der versprochene "Schutz und Schirm" zielte immer wieder ins Leere besonders in den Zeiten, in denen die Juden von Progromen und Übergriffen bedroht wurden. Es war ihnen verboten, Waffen zu tragen  und so blieben sie in Krisenzeiten ihrem Schicksal überlassen. Eine stärker werdende Judenfeindlichkeit führte dann im Hochmittelalter zu Massenmorden, Verbrennungen und Vertreibungen.

Die Judenverfolgung fand ihren ersten Höhepunkt während der beiden Kreuzzüge (ab 1095-99 sowie 1147-49). Kreuzfahrer vernichteten die vermeintlichen "Feinde der Christenheit", denen sie die Schuld am Tod Jesu anlasteten, bereits im eigenen Land bevor sie zum Kreuzzug ins Heilige Land aufbrachen. Wenig später kam es zu grausamen Progromen, als die Pest (1348-53) in ganz Europa wütete und Juden als "Brunnenvergifter" für die Ausbreitung der Epidemien verantwortlich gemacht wurden. Diese großen und viele kleine Progrome sind durch die Jahrhunderte hinweg belegt. Stets sind unschuldige Juden zur Zielscheibe von diversen Beschuldigungen geworden oftmals aus einem einfachen Grund: einem toten Juden musste man keine Anleihe mehr zurückzahlen und konnte überdies sein Hab und Gut plündern. Im Spätmittelalter setzte sich die Geschichte der Diskriminierung fort mit Verordnungen, die Juden stark in ihrem kulturellen und religiösen Leben beeinträchtigten. Viele wurden aus den meisten deutschen Territorien vertrieben und wanderten in Richtung Osten (Polen, Westrussland) aus, weil sie dort weniger stigmatisiert wurden.

Der vorliegende Text bezieht sich auf die Abhandlung Zur Geschichte des Judentums in Deutschland von der Historikerin Dr. Sabine Weigand. In ihrem Mittelalterroman Die silberne Burg beschreibt Weigand das Schicksal einer jüdischen Ärztin. Sie wählt eine historische Figur, die gründlichen Recherchen zufolge tatsächlich gelebt hat und gibt mit der Schicksalsbeschreibung dieses weiblichen Medicus partiell Einblicke in das jüdische Leben des Mittelalters.