Götz von Berlichingen
Erst der junge Goethe holte den “rauflustigen Ritter mit der eisernen Hand” wieder aus der Vergessenheit, als er ihm nämlich ein Drama widmete. Goethe pries ihn als Muster eines tapferen Ritters, edel in seiner Freiheit, gelassen und treu im Unglück. In Wirklichkeit war Götz von Berlichingen ganz anders: Söldner, Raubritter, Bauernführer, Abenteurer - und häufig Gefängnisinsasse.
Götz war bei seinem ersten Feldzug erst 17 Jahre alt. Er kämpfte im Dienst des Kaisers, doch schon bald hatte der schwäbische Ritter genug vom Kriegsdienst. Gemeinsam mit seinem Bruder schloß er sich einem Raubritter an, der seinen Lebensunterhalt durch Weglagerei, Plünderungen und Geiselnahmen verdiente.
In dieser üblen Gesellschaft hätte man ihn beinahe gefangen genommen. In letzter Sekunde rettete er sich auf die Burg eines Verwandten. Anschließend trat er wieder in den Dienst von Markgrafen und Herzogen. Bei einem der Kämpfe geschah etwas, das Götz von Berlichingen als “Ritter mit der eisernen Hand” in ganz Deutschland bekannt machte. Der Schuss aus einer Feldkanone zerschmetterte seine rechte Hand, die amputiert werden mußte. Von einem Dorfschmied ließ sich Götz eine eiserne Prothese anfertigen, die als technische Meisterleistung gilt. Die Prothese konnte durch ein System von Federn und Zahnrädern so bewegt werden, dass sich die Finger einzeln krümmen ließen. Normalerweise bestanden Armprothesen damals aus einem schlichten Metallhaken zum Greifen von Gegenständen. Götz konnte nun wieder zum Schwert greifen und am Kriegsleben teilnehmen.
Während der folgenden Jahre focht er 15 Fehden in eigener Sache aus und leistete “guten Freunden” Hilfe gegen Beute und Lösegeld. Als er eines Tages 95 Kaufleute überfiel, wurde er durch den Kaiser geächtet. Von dieser Acht losgekauft, nahm Berlichingen einen Grafen in Gefangenschaft, um Lösegeld zu erpressen - wieder verfiel er in Ächtung. Doch mit bemerkenswerter Frechheit setzte er sein Treiben fort, bis er von einer kaiserlichen Truppe überwältigt wurde. Als Strafe für seine Missetaten schmorte er drei Jahre lang im Kerker, bis ihn der befreundete Ritter Franz von Sickingen freikaufte. Götz mußte “Urfehde” schwören, d.h. unter Eid auf jede Fehde verzichten. Er zog sich auf seine Stammburg zurück.
Im Frühjahr 1525 brach der große dt. Bauernkrieg aus. Als ein bedeutendes Bauernheer an seiner Burg vorbeikam, ließ er sich als Hauptmann aufnehmen. Auch wenn er es später anders darstellte - der alte Raufbold übernahm sicher gern die Rolle des Anführers. Allerdings merkte Götz rasch, dass die Bauern wenig Disziplin hatten und recht unerfahren in der Kriegsführung waren. Schon bald hatte er genug von den chaotischen Kämpfen und verließ den Bauernhaufen unter einem Vorwand ausgerechnet in der Nacht vor einer entscheidenden Schlacht. Er begab sich zurück in seine Burg. Nachdem es ihm dort zu langweilig wurde, zog er wieder los und geriet bei kriegerischen Auseinandersetzungen erneut in Gefangenschaft. Zwei weitere Jahre im Kerker folgten, dann entließ man ihn gegen das Versprechen, den Umkreis seiner Burg nicht mehr zu verlassen. Götz, mittlerweile 50 Jahre alt und Vater von zehn Kindern, war etwas ruhiger geworden und blieb zu Hause.
Als aber Kaiser Karl V. gegen die Türken nach Ungarn zog, hielt es den Ritter mit der eisernen Hand nicht länger zu Hause. Er marschierte mit und kämpfte auch im Feldzug gegen die Franzosen. Im Alter von 82 Jahren endete sein abenteuerliches Leben, das keineswegs dem christlichen Ideal eines edlen Ritters entsprach, auch wenn sogar Martin Luther dieses idealisierte Bild von ihm entworfen hatte.
Nach seinem Tod geriet Götz von Berlichingen in Vergessenheit, bis Goethes Drama die Erinnerung an sein Leben weckte. Goethe, damals noch jung und unbekannt, suchte nach aufsehenerregenden Inhalten. Das berühmte Zitat durfte schon bald nicht mehr im Original gedruckt werden, doch wir wollen es hier noch einmal im originalen Wortlaut wiedergegeben: “Sag deinem Hauptmann: vor ihrer kaiserlichen Majestät hab`ich, wie immer, schuldigen Respekt. Er aber, sag`s ihm, er kann mich im Arsch lecken”.