Hofgut Wüstenbirkach

                                      "Wer das Land liebt, kommt nicht mehr so schnell weg davon ohne Bus."

Das geschichtsträchtige Hofgut Wüstenbirkach liegt verborgen zwischen dem Rand eines Mischwaldes und üppigen Obstbäumen ganz in der Nähe der Burgruine Altenstein.

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Ebenso wie die ehemaligs mächtige Burg Altenstein wird das Hofgut erstmals 1232 urkundlich erwähnt mit dem Namen "Wisenbirke". Die Erstnennung bezeichnet eine "mit Birken umrandete Wiese", auf dem das spätere Hofgut entstand. Noch heute liegt das Hofgut abgeschieden vom Lärm der Zeit in idyllischer Landschaft - nur das Plätschern des Brunnens, der Wind und das Zwitschern der Vögel sind zu hören.

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Jörg von Stein, ein Sprößling aus dem einflußreichen Adelsgeschlecht derer von Stein zu Altenstein, trat 1456 als erster Grundherr des Hofgutes in Erscheinung, als er den "Zehnt zu Wustenbirkach"  von den Bauern der Umgebung vereinnahmte. In der Folgezeit wechselten sowohl die Besitzer wie auch die Hofbewohner. So besaßen 1573 auch die Adligen der "Fuchs zu Burggreppach" und die "Rauenecker" Anteile an den Grundrechten und die Herrschaft über zwölf Untertanen. Im April 1619 verkauften drei Gebrüder von Stein das gesamte Anwesen an Bischof Gottfried mit der Konsequenz, dass sich die Funktion und das Leben auf dem Hofgut deutlich veränderten. Es durfte fortan vom Juliusspital, der ersten sozialen Einrichtung für kranke, invalide und alte Menschen sowie "abgebaute Lehrer", die damals keine Pension bezogen, genutzt werden. Das Juliusspital hatte der Würzburger Bischof Julius Echter bereits 1579 gegründet. Mönche bewirtschafteten das Gut während seiner Zugehörigkeit zum Juliusspital . Sie legten eine Wasserleitung aus Baumstämmen an und steigerten durch unermüdlichen Fleiß die landwirtschaftlichen Erträge.

1860 erwarb Freiherr Julius von Rotenhan in seiner Eigenschaft als Verwaltungsmajoratsherr das Ökonomiegut des Spitals für seine Familie  und erreichte damit die größte räumliche Ausdehnung seiner Liegenschaften, die sich nunmehr vom Gut Wüstenbirkach im Norden bis hin zu den Weinbergen bei Ebelsbach im Süden erstreckten. 1926, kurz nach der Inflation, sah sich Freiherr Hans Georg von Rotenhan schweren Herzens gezwungen, das Gut zu veräußern, um lastende Schulden zu tilgen.

Die nachfolgenden Generationen derer von Rotenhan haben die Finalität menschlichen Daseins überwinden können. Sie leben bis in die Gegenwart hinein und bewohnen unter anderem die Südburg Lichtenstein, deren private Atmosphäre geschützt werden soll und die im Unterschied zur benachbarten Nordburg Lichtenstein  der Öffentlichkeit nicht zugänglich ist. Im bleibenden Besitz der Rotenhan ist ebenfalls die gleichnamige Ruine. Die einzigartige, direkt aus dem Fels gehauene Burg Rotenhan durchlebte im 14. Jahrhundert ein tragisches Schicksal, als nämlich der Würzburger Bischof im Streben nach Machterweiterung die Rotenhans intrigant des Diebstahls, der Falschmünzerei und des Erschlagens von Untertanen beschuldigte und durch diese Falschbezichtigungen vom Kaiser die Erlaubnuis erhielt, diese einmalige Burg - Stammsitz der Rotenhans - zu zerstören. Die Ruine liegt heute versteckt im Wald in der Nähe von Ebern und ist über Wanderwege wie auch mit dem PKW gut aufzufinden.

Nun wollen wir uns wieder der Geschichte des Hofgutes Wüstenbirkach zuwenden, das mit dem Verkauf durch die Rotenhans im 20. Jahrhundert einen neuen Besitzer namens Wilhelm Schneider bekam. Wilhelm Schneider war zudem Pächter des prachtvollen Patrizierhauses Concorde in Bamberg. In diesem brocken Gebäude, nunmehr als Gästehaus genutzt, empfing Wilhelm Schneider geschlossene Gesellschaften wie Industrielle, Bankiers und Verbände aus ganz Deutschland, die ihre Besprechungen bevorzugt unter dem Siegel der Vertrautheit vor Fremden abschirmen wollten. Nichts bot sich für diese Zwecke besser an als das abgelegene Hoifgut Wüstenbirkach. 1934 renoviert, wurde es auch im Zweiten Weltkrieg zum Rückzugsort politischer Entscheidungsträger.

Nach dem Zweiten Weltkrieg folgt die Historie völlig neuen Entwicklungslinien, die dem Leben auf dem Hofgut eine entscheidende Wende gaben. Zunächst unternahm ein Kaufmann aus Fürth den Versuch, auf den weiten Feldern des Gutes Heilkräuter anzupflanzen. Verschiedene Personenkreise aus Großstädten suchten anschließend in dieser nahezu unberührten Natur den Ort für ein alternatives Leben in Selbstbestimmung und frei von konventionellen Zwängen.

1982 richtete die in Argentinien geborene Malerin Elena Gatti auf Wüstenbirkach ihr Atelier ein. Von der Öffentlichkeit anerkannt präsentierte die Künstlerin ihre vielbeachteten  Malereien in zahlreichen Ausstellungen.

Seit 1986 befindet sich das Hofgut im Privatbesitz von Frauen, die auch im fortgeschrittenen Alter nie aufhören, neu anzufangen. Und so ist im Alltag auf Wüstenbirkach nahezu alles möglich, solange der Vitalität und Kreativität dort lebender Frauen keine Grenzen gesetzt sind. Vor kurzem hat sich Susanne Becker dazu entschieden, den Herbst ihres Lebens auf dem Hofgut zu verbingen. Angelockt von einem ehemaligen Atelier im Haupthaus des Hofgutes bietet die von München kommende  Künstlerin erfolgreich ihre Malkurse an. Weitere Informationen zu den Malkursen  finden Sie unter www.bilderundkurse.de.

Seit ihrer Entstehungsgeschichte bilden die Hofbewohnerinnen eine Gemeinschaft, die unterschiedlicher bezüglich der Vita, Kompetenzen und Vorlieben jeder Einzelnen nicht sein könnte. Gelebte Vielfalt prägt das Alltagsleben der Bewohnerinnen, die von der Nachbarschaft der nahen Umgebung auch liebevoll "die wüsten Birken" genannt werden und deren ausgeprägte Individualität von Anfang an geeint wird durch folgende Lebensphilosophie: Wandel, Üben, sich täglich einfühlen, neue Beanstandungen in Ruhe klären, alternativ, couragiert, hoffnungsvoll.